Kurzinterview,Schauspieltraining

Die Kleinbürgerhochzeit in der BOX

Die Schauspielerin und Regisseurin Anna Beetz inszeniert Brechts Einakter „Die Kleinbürgerhochzeit“ in der BOX. Dieses Stück schildert die Hochzeitsfeier eines kleinbürgerlichen Paares als Farce, in der vom Mobiliar bis hin zum Idyll spießbürgerlicher Moral trotz bestem Bemühen alles zerbricht. Als »Orgie der Hohlheit, der Langeweile, der Öde und der Vereinzelung« bezeichnete Brecht selbst das Treiben um einen nervenden Brautvater, einen eifersüchtigen Bräutigam, eine schwangere Braut und ihre unbeirrt aneinander vorbeiredende Festgesellschaft. Das Stück wird von Teilnehmenden des Schauspieltrainings, der Amateur-Schauspielschule der TAK, gespielt. Daher haben wir haben Anna und ihrem Ensemble mal ein paar Fragen zu ihrer Arbeit gestellt!

TAKBlog: Worum geht es in der Inszenierung für Euch persönlich?

Anna Beetz: Nach „Blau“ von Ursula Rani Sarma, welches sehr tief, poetisch und sehr traurig war, möchte ich in dieser Inszenierung die Menschen wieder zum Lachen und Schmunzeln bringen. Das Stück die Kleinbürgerhochzeit von Brecht ist absurd, lustig, ungehemmt, aus einer anderen Zeit. Mein Ensemble erlebt so die Vielfältigkeit des Spielens. Für mich als Regisseurin ist die Herausforderung, mit dem nicht zu verändernden Text ( die Brecht Erben erlauben keine Änderungen / Erweiterungen / Aufbrüche) eine spannende Geschichte zu erzählen. Hier kann sich der Zuschauer auch 2023 wiederfinden.

Und ein kleiner Zusatz: eine Herausforderung in dieser Inszenierung sind die Möbel!! Hier hat Jenni von Buch hervorragend als Bühnenbildnerin, die zu zerbrechenden Teile gebaut! Darauf könnt ihr euch freuen.

Ensemble: Uns geht es ganz einfach um die Lust am Theaterspielen, das gemeinsames Erarbeiten eines Stücks und die Konturen der Rollen und darum, die eigene Komfortzone zu verlassen.

TAKBlog: Was passiert denn eigentlich in der Kleinbürgerhochzeit?

Anna Beetz: In diesem Stück wohnt man einer Hochzeitsfeier bei. Man wird direkt in den Abend hineingeworfen. Es wird nichts erklärt. Im Verlauf des Stückes geht immer mehr zu Bruch. Es ist ein unpolitisches Stück, und doch schaut man sich die Zeit um 1920 an- man sieht sehr privat in eine Familie. Es ist nicht viel Geld da. Der Krieg ist gerade vorbei. Die Demokratie in den Anfängen. Das Frauenwahlrecht gerade eingeführt.

Ensemble: Ja genau, Kleinbürgerhochzeit eben: Man isst, trinkt und im Laufe des Abends stellt sich heraus: die Verbindungen sind genauso brüchig wie die Möbel.

TAKBlog: Worüber werden wir hinterher reden?

Anna Beetz: Hoffentlich über die fantastischen Schauspieler. Und wahrscheinlich auch über die Möbel. Über die Zeit. Und vielleicht auch, warum Brecht der Mutter in der Kleinbürgerhochzeit so wenig Text gab. Das regt mich persönlich sehr auf. Die Sicht auf die Frauen , besonders im Alter.

Ensemble: Darüber, wie gut es ist, dass es IKEA gibt. Und über sündige Liebe, Fieberträume, Wasserschlachten und Mutterliebe.

TAKBlog: Was wird niemand von uns verstanden haben?

Ensemble: Wer hat eigentlich Hans eingeladen? Was machen Eier in der Sahne? Was ist mit Johannes Segmüller los? Und was hat der Forst in der Kirche gemacht?  Warum kommt man ohne Krawatte in die Irrenanstalt?

Anna Beetz: Brecht folgt Karl Valentin. Witz und Komik spielen mit Grenzüberschreitungen und Absurditäten. In der Kleinbürgerhochzeit gibt es vieles, was nicht erklärt wird. Es will nicht erklären.

TAKBlog: Was werden wir alle an der Kleinbürgerhochzeit lieben?

Anna Beetz: Den Humor und das Ensemble.

Ensemble: UND DIE FAMILIE!

TAKBlog: Liebe Anna, beschreib dein Ensemble!

Anna Beetz: Ich arbeite zum 2. mal mit den meisten in diesem Ensemble zusammen. Sie sind eine sehr ambitionierte, herzliche und gute Gruppe. Es macht mir großen Spaß mit ihnen zu arbeiten.

TAKBlog: Liebes Ensemble, beschreibt eure Regisseurin!

Ensemble: Spontan, phantasievoll, positiv verrückt, kreativ und unfassbar geduldig.

TAKBlog: Was ist das Wichtigste, dass Ihr in den Proben zur Kleinbürgerhochzeit gelernt habt?

Ensemble: Dass die Puzzleteile schön ineinandergreifen, wenn man zusammen spielt und das Stück und die Figuren zum Leben erweckt. Viele gute Einfälle entstehen beim Spielen.

Anna Beetz: Dieses Stück besteht aus Unterbrechungen. Selten kann eine Spieler*in einen Satz beenden ohne unterbrochen zu werden. Und in diesem Stück haben wir wieder einmal gelernt wie wichtig Ensemblearbeit ist. Und auch egal wie groß dein Sprechanteil am Abend ist, dieser bestimmt nicht über die Präsenz der Figur. Denn jede Figur ist gleich wichtig. Das war eine Herausforderung für die Spielenden.

TAKBlog: Was reizt Euch an der Theaterarbeit von Profis mit Amateuren?

Ensemble: Dass nach einem Wutausbruch keiner weint! Einige haben noch nie in einem komödiantischen Stück mitgespielt. In den Figuren unbeeindruckt von dem Chaos und den Boshaftigkeiten um sie herum Fröhlichkeit auszustrahlen und glücklich zu sein beispielsweise, war für ein grundsätzlich depressives Ensemblemitglied eine spannende Herausforderung.

Anna Beetz: Als Studentin habe ich sowohl mit Profis als auch mit Amateur*innen gespielt. Damals viel mir auf, dass Amateur*innen manchmal einen sehr unverblümten Angang ans Spielen haben. Das brachte ihre Lebenserfahrung mit. Denn wer mehr erlebt hat, kann, wenn es ihm möglich ist, auf eine Erfahrung zurückgreifen, die wiederum für das Spielen von Wert ist. Und so sehe ich es auch in der Regiearbeit mit Amatuer*innen in der Kleinbürgerhochzeit. Es geht mir darum ihre persönlichen Bezug zur Rolle zu finden und sie im Kontext der Gruppe leuchten zu lassen. Mich reizt es den Zuschauer in eine Geschichte zu ziehen. Egal ob Profi oder Amatuer*in.

TAKBlog: Lernen wir die Regisseurin Anna Beetz und Euch vom Ensemble persönlich kennen in der Inszenierung?

Anna Beetz: Ob ihr mich durch diese Regiearbeit kennenlernt? Ich denke schon, wenn man sich den Kontext ansieht. „Blau“ war wie schon gesagt ein sehr tiefes poetisches Stück. Da habe ich mit geteilten Rollen und Chorarbeit die Geschichte zum Atmen gebracht. Und die Kleinbürgerhochzeit ist die Reaktion auf die Traurigkeit der letzten Arbeit. Traurige Menschen sind oft sehr lustig. Und lustige Menschen können oft sehr traurig sein. Denn das Leben ist absurd. In der Hochzeit kann man meine Liebe zu Schaudpieler*innen und dem Spielen an sich sehen. Dieses Stück ist ein Schwung. Selbst liebe ich solche Stücke zu spielen, denn man taucht ein und fliegt spielend durch den Abend. Kann alles auskosten.

Ensemble: Wir leihen den Figuren der Kleinbürgerhochzeit ja unsere Körper, Stimmen und Emotionen. Von daher kommt zum Austausch von Herzblut zwischen uns und den Figuren.


 

Es spielen: Engelbert Becker, Günter Fortak, Lena Hausherr, Maira Inselmann, Matthias Körnich

Leonie Pohlmann, Ela Schu, Katharina Walter, Ralf Winnen

Regie: Anna Magdalena Beetz

Regieassistenz: Jennifer von Buch

Musik: Chriss Gross

Spieltermine: Fr., 1. September 2023 (Premiere) | Sa., 2. September | So., 3. September jeweils um 19:30 Uhr

Ort: BOX Theater in der Südstadt, Sachsenring 3, 50677 Köln

Kartenbestellung: Tickets über Kölnticket

Preise: 19,50 € / 13,50 € ermäßigt

Eine Produktion des Akademietheater e.V.

Organisation: Ursula Armbruster und Christiane Janßen

Foto: Lena Hausherr

 


Anna Beetz

DOZENTIN FÜR SCHAUSPIEL

Fachbereich Schauspieltraining

Schauspielerin – Theaterpädagogin – Regie (Düsseldorfer Schauspielhaus, Badisches Staatstheater Karlsruhe, Deutsches Theater München, Theater der Stadt Heidelberg)

Im Spielen bin ich frei. Grenzenlos. Begegne Anderen. Es ist ein Abenteuer, Leidenschaft. Gemeinsam eine Geschichte zu erzählen. Eine Welt zu erschaffen in die man abtauchen kann. Ein Mit und Füreinander. Frei sein. Das bedeutet mir das Spielen.