Soraya Abtahi ist seit ihrem Abschluss an der Theaterakademie Köln als Schauspielerin und Regisseurin unterwegs. Wie sich die Entwicklung nach dem Diplom anfühlt und wie sich ihr Blick auf den Beruf durch die Ausbildung zur Schauspielerin an der TAK entwickelt hat, liest du im Interview.
TAKBlog: Hallo Soraya, du hast in der letzten Zeit deine ersten Inszenierungen abgeliefert. Erzähl uns doch mal etwas darüber!
Es ist sehr spannend, Regie führen zu dürfen. Aber auch nervenaufreibend und mit hoher Verantwortung verbunden. Ich bin sehr froh, dass sich mir dieser Weg geöffnet hat. Ich habe das Stück „Die Hexenjagd“ von Arthur Miller mit der Volksbühne Bergisch Neukirchen inszenieren dürfen, in der ich 15 Jahre lang selbst gespielt und das Theater lieben gelernt habe. Jetzt hier auch Regie führen zu dürfen, war für mich eine Ehre und Herausforderung. Es war eine wahnsinnige Zeit, in der ich erst gemerkt habe, wie aufgeregt ich sein kann. Ich dachte, als Schauspielerin wüsste ich es. Aber die Regiearbeit war an Nervosität nicht zu toppen (bis jetzt…). Mir sagte mal ein Regisseur: Als SchauspielerIn hast du es einfach, du spielst die Aufregung weg, hast was körperlich getan. Als Regisseurin hast du nie diese Befreiung. Ich habe es am eigenen Leib erfahren. Diese Verkrampfungen waren es aber irgendwie auch wert. Der größte Lohn war und ist für mich, dass ich nun auch diese „andere Seite“ kennen gelernt habe. Regie und Schauspiel- zwei Seiten, die intensiv miteinander arbeiten (müssen). Die sich verstehen und missverstehen, lieben und hassen können. Für mich sind diese zwei Seiten wie zwei verschiedene Paar Schuhe, die aber gut zusammen getragen werden können.
Du hast vor einem guten Jahr die Ausbildung beendet. Wie kam jetzt die
Regie dazu?
Ich habe als Fünfjährige bei der Volksbühne Bergisch Neukirchen mit dem Theater spielen angefangen. Mit 20 Jahren habe ich dann beschlossen, aus dem Hobby meinen Beruf werden zu lassen: Ich habe die Schauspielausbildung begonnen. Nach der Ausbildung habe ich bei der Volksbühne Bergisch Neukirchen einmal im Monat Workshops mit verschiedenen Themen wie Stimme und Körper, Improvisation und Rollenarbeit angeboten. Dana Fischer fragte mich daraufhin, ob ich auch Interesse hätte, „Die Hexenjagd“ mit ihr zu inszenieren. Sie ist Spielleiterin bei der Volksbühne Bergisch Neukirchen und hat schon unzählige Theaterstücke für die Volksbühne umgeschrieben, inszeniert und mich auf meinem Theaterweg lange begleitet. Dazu kam, dass ich das Stück „Die Hexenjagd“ so oft angefangen, weggelegt, wieder angefangen hatte. Immer wieder ist es mir über den Weg gestolpert und ich dachte: „So viele Rollen, so viel Text, wer ist wer? Ich blick nicht durch.“ Aber so oft wie ich es weggelegt hatte, hatte ich es auch wieder zur Hand. Auf eine Weise hat mich dieses Stück nie losgelassen. Also warum es nicht inszenieren?
Was reizt dich denn besonders an dieser Arbeit?
Die Freiheit. Die Freiheit, die ich versuche, mir in meinen Gedanken und meiner Phantasie selbst zu geben. Und dann diese Herausforderung mit den Menschen um mich herum und den gegebenen Möglichkeiten und Mitteln, diese Freiheit der Gedanken und Ideen zur Wirklichkeit werden zu lassen.
Das Gleichgewicht und Zusammenspiel zu finden zwischen dem, was ich will und dem, was möglich ist. Während der Regiearbeit habe ich die Menschen ganz anders nochmal wahrgenommen. Der Umgang mit jedem war wichtig, um gemeinsam etwas zu erschaffen. Feingefühl zu haben, wie mit den einzelnen Menschen umzugehen ist. Rauszufinden, wie ich was am besten aus den SchauspielerInnen rausholen kann. Und ganz wichtig: das Abgeben. Nach der Recherche, der Auseinandersetzung mit dem Text und den Rollen, der Probenarbeit, dem Denken, Ausprobieren, Umstellen und Entwickeln, nach allem los lassen zu können und sagen zu können: „Ihr macht das jetzt.“ Und dann kommt die Premiere und es läuft wie es läuft. Für mich Herausforderung und Reiz in einem.
Macht es einen Unterschied, dass du Schauspielerin bist? Oder bist du
hier als ganz andere Künstlerpersönlichkeit unterwegs?
Bestimmt gibt es einen Unterschied, dass ich eigentlich Schauspiel gelernt habe und nicht Regie. Sicher weiß ich vieles nicht, gehe mit Manchem anders um. Vieles mache ich aus dem Gefühl heraus, probiere herum anstatt Theorien und Praktiken als Grundlage zu nehmen. Ob es so besser oder schlechter ist, kann und möchte ich nicht beurteilen. Es ist einfach so. Ich bin das, was ich mache.
Als Regie versetze ich mich manchmal auch als Schauspielerin in die Rollen, um zu verstehen, was sie bewegen könnte. Aber schnell habe ich gemerkt wie mir der Blick von außen wichtig ist: auf das Gesamtbild, die Dramaturgie, das Bühnenbild, die Kostüme, das Licht, das Spiel. Um diese Frage zu beantworten: Funktioniert es? Wirkt es so wie ich möchte? Manchmal konnte ich während der Arbeit an „Hexenjagd“ gar nicht genau erklären, was ich möchte. Es war mehr ein Gefühl, dass wir durch immer wieder ausprobieren und verändern irgendwann fanden und ich plötzlich rief „Ja! Das ist es! So können wir es machen.“ Zur großen Freude des Ensembles- als Schauspielerin kann ich es gut nachvollziehen, endlich etwas festlegen zu wollen, als Regisseurin kann ich es nun verstehen, wie oft man manchmal eine Szene sehen und verändern möchte, um sagen zu können „Jetzt ist es so wie ich es mir vorgestellt habe.“
Mich reizt die Freiheit. Die Freiheit, die ich versuche, mir in meinen Gedanken und meiner Phantasie selbst zu geben.
Hast du in der Vergangenheit schon Regie-Erfahrung sammeln können? Was
waren die größten Herausforderungen in der Inszenierung?
Ich habe vor und während der Schauspielausbildung in Grundschulen Theater unterrichtet, Workshops und Ferienkurse im Casamax Theater angeboten und dort auch kleine Vorstellungen mit den Kindern inszeniert. Manchmal zusammen mit den Kindern ausgedachte kleine Szenen, irgendwann habe ich dann angefangen, selbst kleine Theaterstücke von 15-20 Minuten zu schreiben. Dieses Jahr habe ich auch das Kinderstück „Katze Bartputzer entdeckt das Wetter“ von Miriam Baghai- Thordsen inszeniert.
Besonders sind mir aber meine als Schauspielerin erlebten Stückentwicklungen im Kopf geblieben. Auch wenn ich da nicht als Regie tätig war, so durfte ich doch miterleben, wie ein Stück entsteht. Konnte als Schauspielerin selbst Anregungen geben und die nahe Zusammenarbeit hat mir viel mitgegeben. Ich habe während meiner Regiearbeit gemerkt, wie viel ich als Schauspielerin von meinen Regisseuren und Regisseurinnen mitbekommen und gelernt habe.
Wirst du weiter inszenieren?
Ich möchte sehr gerne weiter inszenieren. Momentan stecke ich noch in den Plänen für 2019, Regie wird wohl dabei sein, was mich sehr freut.
Wie schaust du auf den Arbeitsmarkt für SchauspielerInnen?
Halb optimistisch, halb ängstlich. Es schwankt immer zwischen den Gedanken „Ja, läuft gut. Ich kann davon leben. Ohne Urlaub, aber auch kein extra Nebenjob muss her.“ und „Ahhh, ich sollte einen Plan B überlegen. Will ich das weiterhin? So unsicher, andauern neu bewerben? Wie soll das mit Familie mal gehen?“ Es ist sicher nicht leicht, ja. Zu wenig Jobs für alle SchauspielerInnen. Und leider ist die Verteilung der Gelder nicht gerecht. Für das eine Engagement gibt es zu wenig oder sogar nichts und für das andere das große Geld. Festanstellung eher ein Traum als Wirklichkeit, aber dafür Selbstständigkeit, in der ich mich selbst (und auch die Bürokratie Deutschlands) besser kennenlernen darf. Für sich selbst einzustehen, zu kämpfen, weiterzumachen. Das musste ich lernen und lerne es weiterhin. Bisher hatte ich meist Glück oder Erfolg. Ich finde, dass ich hier das Wort Glück nehme, bezeichnet den Arbeitsmarkt für SchauspielerInnen ganz gut. Ich könnte jetzt auch sagen „leider“, aber ich habe schon selbst von diesem Glück kosten dürfen und da war ich immer dankbar, dass es auch so laufen kann. Wie zum Beispiel, dass eine Schauspielerin die Rolle absagt und ich reinrutsche, weil es gerade schnell eine nächste Besetzung braucht. Oder ich ohne Casting genommen werde, weil ich denjenigen oder diejenige kenne. Natürlich muss man sich dann auch beweisen, auch gut sein, sich anstrengen und sehr viel Eigenenergie mit reinbringen. Immer wieder aufstehen, weitermachen, wenn die Absagen oder auch gar keine Antworten kommen. Es lohnt sich, weiterzumachen. Viel mehr, als aufzugeben. Das gilt sicher für jeden Beruf.
Wenn du deinen Weg seit dem Abschluss reflektierst: Hast du einen Tipp
für diejenigen, die Schauspiel lernen wollen?
Sei dir ganz bewusst, für was du dich entscheidest. Der Weg als SchauspielerIn ist nicht leicht. Unsicherheit, Machtgehabe, Konkurrenzkampf, Stress, Selbstorganisation werden deine Wegbegleiter. Aber auch Freude, Selbsterfüllung, Stolz und Respekt. Freizeit und Beruf verschwimmen, wunderbar und grauenhaft zugleich. Sei selbstbewusst und weiß, was du willst – leichter gesagt als getan. Ich lerne es gerade noch, aber jeder Schritt in diese Richtung gibt eine Stärke, die generell im Leben hilft. Und nicht verzagen, wenn es nicht klappt. Weitermachen und kämpfen. Und wenn das Selbstbewusstsein mal verschwindet, Ängste einen übernehmen oder nach einem Erfolg plötzlich gar nichts mehr kommt – nicht aufgeben. Vielleicht mal kurz im Loch versinken, sich bemitleiden, heulen, Schokolade essen und wenn du dann immer noch SchauspielerIn sein möchtest: aufstehen, Bewerbung abschicken und es einfach wollen, von ganzem Herzen.
Soraya Abtahi wurde im Januar 1993 in Leverkusen geboren. Dort mit dem Hobby „Theater spielen“ aufgewachsen, entschied sie sich 2013 für die Ausbildung an der Theaterakademie Köln, wo sie im Juli 2017 ihren Abschluss machte. Sie spielte bisher vor allem Kinder- und Jugendtheater, unter anderem im Casamax Theater in Sülz und Tourneetheater im Rahmen des europäischen Klassikfestivals. Bis Januar 2019 ist sie noch im Theater Tiefrot mit dem politischen Stück „Die vergessene Revolution“ zu sehen. Dieses Jahr hatte sie Premiere mit ihrem Regiedebüt „Hexenjagd“ in der Festhalle in Leverkusen. Momentan lebt Soraya in Köln.
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