Patric Welzbacher Foto: Anemone Haake
Kurzinterview,Regie,Schauspielausbildung

Patric Welzbacher: Wir quatschen alle den gleichen Mist

Patric Welzbacher unterrichtet Schauspielgrundlagen, Rollen- und Szenenstudien an der Theaterakademie Köln. Mit dem jetzigen 8. Semester steckt er gerade mitten in den Proben der Abschlussarbeit. Warum er froh ist nicht mehr 20 zu sein und wieso Menschen interessanter sind als Theater, erfährst du im Kurzinterview im TAKBlog.

TAKBlog: Worum geht es in der Abschlussarbeit für dich persönlich?

Patric Welzbacher: Es geht um ein Gefühl. Also so eins, das man erst erkennt wenn man eigentlich schon nicht mehr jung ist. Dieses „die Welt steht mir offen“, keine Tür ist abgeschlossen, jeder Weg noch zugänglich. Das hat man nie verbalisiert. Muss man ja auch nicht, diese Sehnsucht ist doch konkret genug. Oder? Mir fällt das Wort Lebensentwurf ein. Und irgendwo da hinten gibt es die Welt der Alten. Die alles falsch machen. Sich selbst gefangen genommen haben in Routinen und langweiligen Büros. Kotz. Und man weiß noch nicht genau, was man machen will mit seinem Leben, aber so wie die, will man es auf keinen Fall machen. Und dann passiert halt irgendwas und es gibt irgendwas, worum man sich zuerst kümmern muss.

Abstand. Urlaub. Therapie.

Umziehen. Zu Ikea. Studieren. Sich verlieben. Verliebt bleiben. Party machen. Sich trennen. Leiden. Weinen. Termine absagen um leiden zu können. Gedichte schreiben. Freunde einladen, um gemeinsam zu leiden.Abstand. Urlaub. Therapie. Bla bla bla. Und deshalb kann man dieser Sehnsucht JETZT halt nicht nachgehen. Aber ist ja auch nicht wichtig, weil ist ja Zeit im Überfluss da. Und dann kommt halt irgendwann der Moment an dem man realisiert, dass Zeit eben nicht mehr im Überfluss da ist. Und dann wird aus dieser Sehnsucht schon sowas wie ein kleiner Schmerz. So eine Narbe am Herzen, die sticht, wenn man sich falsch bewegt. Oder das falsche denkt. Oder das richtige? Naja, erstmal n Kaffee.

Für mich geht es um diese Suche. Den Umgang mit dieser Sehnsucht. Diesem unbestimmten aber ganz klaren Gefühl. Klar auch um Identität und die Frage: Wo ist mein Platz. Und ständig quält einen diese Schuldfrage. Also wer kann denn da jetzt wirklich was für? Für dieses „alles“. Da ist man also und deckt diese ganzen Missstände auf, Klimaschutz, kollektive Depression, Neoliberalismus und was Gott noch alles, dass Mama und Papa gar nicht so cool sind, meistens sind die ja eh geschieden, oder unglücklich, oder lame.

Fuck. Dafür bin ich ja gar nicht ready.

Und ich sitze hier ganz tief in der Scheiße. Haben die mir das so hinterlassen? Die Alten? Sind die Schuld? Und wie komme ich hier sauber raus? Wie gewinne ich? Kann ich gewinnen? Oder muss ich scheitern? Ja es geht ums Scheitern. Vor allem um Scheitern. Und, dass das sexy ist, dass das eine Form von Schönheit ist und, dass daraus Dinge wachsen können. Dass ich daraus wachse. Und, dass wir deshalb keine Angst haben sollten auf die Fresse zu fliegen. Und, dass man diese Alten vielleicht gar nicht von ihrer Schuld überzeugen kann sondern sie einfach so besiegen kann. Indem ich sie…ja … überwinde? Und dann landet die Verantwortung plötzlich bei mir. Fuck. Dafür bin ich ja gar nicht ready.

Und dann bin ich Täter*in, aber will ich das? Gott kann ich das? Halte ich das aus?

TAKBlog: Was passiert in eurer Abschlussarbeit?

Patric Welzbacher: Ein Speedrun durch das Leben eines Menschen in seinen 20ern. Da gibts ordentlich auf die Fresse. Vor allem für das Team selbst. Kluge Texte, geile Spieler*innen. Bissl Licht, paar Videos. Wird kein schöner Abend. pastedGraphic_1.png

TAKBlog: Worüber werden wir hinterher reden?

Patric Welzbacher: Wie froh wir sind nicht mehr 20 zu sein? I don’t know aber wird Spaß machen da Mäuschen zu spielen pastedGraphic_2.png

TAKBlog: Was wird niemand von uns verstanden haben?

Patric Welzbacher: Wer die sind pastedGraphic_3.png, was das soll pastedGraphic_3.png, und was die Lösung ist. pastedGraphic_3.png

TAKBlog: Was werden wir alle lieben?

Patric Welzbacher: Diese Momente, in denen man denkt: „Oh shit, das bin ja ich!“ pastedGraphic_4.png

TAKBlog: Beschreib dein Ensemble in 6 Sätzen.

Patric Welzbacher:

Wir sind eine Allianz von Außenseiter*innen. Wir gehören nicht dazu.

Wir hatten nie eine Chance. Wir scheitern an uns selbst.

Wir halten uns nicht an die Regeln. Wir machen dich fertig.

Was ist das Wichtigste, dass deine Schauspieler*innen in den Proben gelernt haben?

Patric Welzbacher: Sich selbst zulassen und sich (sich) selbst zumuten.

TAKBlog: Was reizt dich an der Theaterarbeit mit jungen Menschen?

Patric Welzbacher: Also die „jungen Menschen“ reizen mich ja viel mehr als die „Theater“-arbeit. pastedGraphic_5.png pastedGraphic_5.png pastedGraphic_5.png

Theater ist ja irgendwie tot. Kriegst ja keine Nähe mehr in die Hütte. Keine Wärme. Verstehe ich auch, weil es vielleicht das letzte Medium ist, das zwingend nur über direkte Kommunikation funktioniert. Und das können ja immer weniger Menschen. Also so richtig gut. Und wenn sie es können, dann gehen sie eben lieber zum Film. Ich glaube wenn du Theater sagst hast du eine Empfindung, die ich mit Kino verbinde.

So. Die jungen Menschen. Obwohl, komm. So jung sind die jetzt auch nicht mehr. pastedGraphic_6.png Aber ich schätze deren Naivität sehr. Auch, dass sie Theater machen obwohl sie eben eigentlich zum Fernsehen wollen. Und in diesem Trotz eine tolle Angriffsfläche liefern. Da entstehen die tollsten Diskurse, die dann eben auf die Bühne gestellt werden können. Und am Ende versöhnen wir, also damit meine ich auch mich mit, uns ein bisschen mit dieser seltsam veralteten Kunstform. Theater. Auch sone Hass-Liebe. pastedGraphic_4.png

TAKBlog: Lernen wir Patric Welzbacher persönlich kennen in der Abschlussarbeit?

Patric Welzbacher: Da hab ich jetzt lange denken müssen. Weil, wenn es gut läuft bin ich am Ende ja nicht mehr zu erkennen. Aber ich glaube schon, dass viel von meiner Wut, meinem Frust und meiner Verzweiflung ihre Wege auf die Bühne finden. Mein Empfinden von Ohnmacht auf ein System oder eine Gesellschaft, die immer körperloser und unempathischer wird. Auf Menschen, die sich aus Angst immer weiter in ihre Köpfe zurück ziehen, sich hinter ihrem Intellekt verstecken und dort auf die bescheuertsten Ideen kommen, und nicht merken, dass das Bestehen auf diese Ideen dann auch wieder nur endkapitalistische Marktindizes sind, die angeben, wie profitabel jeder cm Abstand zwischen zwei Bevölkerungsteilen heute ist. Buh.

Aber viel Spannender sind ja die Gefühle, Gedanken und Visionen meines Ensembles, die ja noch in ihren Zwanzigern stecken und was passiert, wenn sie sich den Raum nehmen und ihren Zweifeln eine Stimme geben. Muss schon sagen, dass hat mich sehr berührt. Das Persönliche der Inszenierung ist dann vielleicht, dass ich der bin, der damit angefangen hat. 🤭 🤭 🤭

Patric Welzbacher Foto: Anemone Taake

Patric Welzbacher Foto: Anemone Taake

 

 

Mit: Saha Angourani, Lea Kiernan, Hannah Neumann, Kenan Özmen, Eileen Umeh

Regie: Patric Welzbacher

Regieassistenz: Nadine Brinkhoff, Filia Herden

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