Ursula Armbruster, Foto: Tino Werner
Kurzinterview,Schauspieltraining

Schauspiel macht glücklich: Ursula Armbruster über Schauspieltraining

Nach fast 30 Jahren wird die bundesweit erste Amateurschauspielschule vom Comedia Schauspieltraining zum Schauspieltraining an der TAK. Damit erhält die Theaterakademie Köln neben der Diplomausbildung eine zweite Abteilung. Zeit, die Gründerin und Leiterin Ursula Armbruster einmal im TAKBlog vorszutellen!

TAKBlog: Hallo Ursula, du bist ab September 2019 neu im Leitungsteam der Theaterakademie Köln, was uns sehr freut. Du hast davor fast dreißig Jahre lang das Schauspieltraining der Comedia aufgebaut und geleitet. Wie kam es dazu?

Ursula Armbruster: Das Comedia Theater war über viele Jahre ein sehr erfolgreicher Drei-Sparten-Betrieb: Kinder/Jugendtheater, Kabarett, Amateurschauspielschule.

Bedingt durch die Umstrukturierung des Theaters hin zu einem Kinder-Jugendkulturhaus mit deutlich mehr öffentlicher Förderung und damit einhergehend deutlich mehr Angeboten für junges Publikum musste die Amateurschauspielschule ausgelagert werden. Nach kurzer Suche war ja dann klar, dass das Schauspieltraining hier in der TAK eine neue Heimat finden würde und in bewährter Weise -Leitung, Dozenten, Unterricht- als zweite Abteilung fortgeführt werden kann, was ich sehr schön finde! Ziemlich einmalig, wenn man bedenkt, dass hier eine professionelle und eine Amateurtheaterschule zusammenkommen.

TAKBlog: Aber das Verbinden und Verknüpfen zieht sich ja auch durch deine Arbeit. Du bist Theaterpädagogin und Coach mit viel eigener Spielerfahrung. Wie bist du zum Schauspiel gekommen?

Ursula Armbruster: Über Umwege, die es in meinem Leben öfter gegeben hat. Erst mal kam ein langes Studium der evangelischen Theologie und einem etwas diffusen Berufswunsch ‚Pfarrerin‘. Aber mir war klar, dass ich neben der Spur war. Die Ausbildungszeit, das so genannte Vikariat, verschlug mich segensreicher Weise nach Köln. Und ab da platze der Knoten und mein Faible für Bühne war nicht mehr aufzuhalten. Zunächst gründete ich mit 14 Frauen parallel zur theologischen Ausbildung das Musikkabarett RHEINTÖCHTER. Wir waren alle beseelt von dem Wunsch zu singen, Lieder in Szene zu setzen und damit zu touren. Und:  Köln hatte die Comedia. Mit der Entdeckung dieses Hauses war endgültig klar, wo ich hinwollte. Nur das wie war noch verschlüsselt.

TAKBlog: Was fasziniert dich am meisten bei der Schauspielerei?

Ursula Armbruster: Das hingebungsvolle Spielen, erzählen, erfinden und improvisieren. Und der Luxus, das auch als Erwachsener machen zu dürfen. Hier kommen mit Musik, Tanz, Literatur und Sprache so viele Künste zusammen. Der fließende Dialog mit den Mitspielern und dem Publikum fasziniert mich und am meisten das Kindertheater.

TAKBlog: Warum bist du in die Vermittlung gegangen und nicht selbst als Hauptberuf auf die Bühne?

Ursula Armbruster: Ich habe selbst Musiktheater und Improvisationstheater total gerne gemacht. Aber mit der Möglichkeit, am Comedia Theater einen Schauspielkursbereich aufzubauen, war die Vermittlerrolle gefunden. Die Leidenschaft zu  unterrichten hatte ich schon immer. Da bin ich mit dem, was ich kann und gerne mache, genau richtig.

Ich brauche die Bühne nicht mehr selber. Nah dran sein an Menschen, deren Entwicklung, Entfaltung und das Übersichselbsthinauswachsen fördern und beobachten zu können, ist zutiefst beglückend! Und vielleicht ist der ‚Lehrerberuf‘ ja auch schon ganz früh bei mir angelegt: zum Erstaunen meiner Eltern habe ich, als 7-jährige und grade eingeschult, alle Puppen und Bären mit selbstgebastelten kleinen Schulheften ausgestattet und sehr begeistert mit ziemlich ungewöhnlichen didaktischen Methoden herumhantiert. Das konnte ja nur am Theater enden.

TAKBlog: Wieso hast du mit dem Schauspieltraining der Comdia ausgerechnet eine Schauspielschule für Amateure aufgemacht?

Ursula Armbruster: Als ich 1990  in der Comedia anfing, hatte ich weder einen Plan, noch eine Vorstellung, was ich da machen wollte. Ich hatte das Glück mit einer auf 2 Jahre befristeten Stelle dort anfangen zu können. Finanziert hat das das Arbeitsamt. Das war in den 90ger Jahren durchaus üblich, um die Arbeitssuchenden wenigstens teilweise in Brot und Arbeit zu bringen. Gänzlich anders als heute war der Arbeitsmarkt übervoll mit Suchenden der geburtenstarken Jahrgänge. Um vom Theater übernommen zu werden musste ich also so schnell wie möglich etwas finden, was sowohl dem Haus von Nutzen sein und zugleich meinen eigenen Fähigkeiten entsprechen würde. Die Zeit lief. Mir war klar, dass es etwas Neues sein müsste, was es weder an der Comedia noch sonstwo in der Stadt gibt. Ich fing mit einem Schauspielkurs für interessierte Laien an. So entstand lawinenartig die heutige Amateurschauspielschule zunächst als lose Kurse.

Der nächste Schritt war dann, gemeinsam mit den Dozenten, ein Konzept und ein Curriculum zu entwickeln mit dem Ziel, auch Laien und Amateuren endlich einen anspruchsvollen Zugang zu Theater und Schauspiel zu ermöglichen.

Schauspiel macht glücklich. Das ist eine tolle Auseinandersetzung mit sich selbst, den Mitspielern und der Welt, in der wir leben. Das teilen vermutlich alle, die jemals damit in Berührung kamen.

Schauspieltraining, Inszenierung Balkonszenen, Foto: M. Decher

Schauspieltraining, Inszenierung Balkonszenen, Foto: M. Decher

TAKBlog: Du wirst die neue zweite Abteilung der Theaterakademie Köln leiten neben der Abteilung Diplomausbildung, die von Schulleiter Robert Christott und Leiterin der des Fachbereichs Schauspiel Ragna Kirck geführt wird. Was kommt da auf dich zu?

Ursula Armbruster: Ich hoffe, da kommt Team auf mich zu und reger Austausch und die Fähigkeit, die beiden Abteilungen transparent zu leiten. Sowohl die Unterschiedlichkeit von Profi- und Amateurbereich zu wahren, als  auch die Synergien zu nutzen, die entstehen werden.

TAKBlog: Du bringst ein ganzes Dozententeam mit an die Theaterakademie. Wie läuft die Integration der beiden Abteilungen bisher?

Ursula Armbruster: Da ist bisher noch nicht viel gelaufen. Das mag daran liegen, dass wir ja erst mit ein paar Kursen am neuen Ort angefangen haben und in der Kürze der Zeit die ersten Begegnungen auf den Fluren eher informell vonstattengegangen sind. Das Kennenlernen der beiden Dozententeams und die Unterschiedlichkeit der beiden Abteilungen gegenseitig in Erfahrung zu bringen, gehört aber zu den Dingen, die anzuschieben wichtig sind, um Integration zu ermöglichen und eine gute Atmosphäre im Haus herzustellen.

TAKBlog: Was sind deine Visionen für die Zeit nach dem Umzug?

Ursula Armbruster: Erst mal ankommen und für Kontinuität des bisher Stattgefunden sorgen. Aus Comedia Schauspieltraining wird Schauspieltraining in der TAK. Gute Aufführungsorte für die Abschlussprojekte finden. Möglicher Weise eine Bürgerbühne mit anderen Interessenten teilen. Ein gemeinsames Leitbild entwickeln, was Interessenten Lust macht, bei der TAK mitzumachen.

TAKBlog: Eine Schule für Amateure ist sicherlich etwas, wo man um Anerkennung kämpfen muss. Wie bewertest du die Unterscheidung Profis und Amateure in deiner Arbeit?

Ursula Armbruster: Schauspiel macht glücklich. Das ist eine tolle Auseinandersetzung mit sich selbst, den Mitspielern und der Welt, in der wir leben. Das teilen vermutlich alle, die jemals damit in Berührung kamen. Deshalb ist meine Grundhaltung: Theater ist für alle da und darf unter keinen Umständen nur Professionellen vorbehalten sein. Dass es einen Unterschied zwischen Professionellen und Amateuren gibt, ist ja unstrittig. Man muss eine Aufnahmeprüfung bestehen und 4 Jahre in Vollzeit eine Ausbildung machen, in der man sich intensiv mit dem Handwerk auseinandersetzt. Was mich stört, ist die Arroganz, die mit der Unterscheidung oft einhergeht und im Theaterkontext besonders krass ist. Das ist im Musikbereich oder Sport anders.

Es gibt viele herausragende Laienchöre, die auch so heißen dürfen, ohne dass das abfällig gemeint ist, und die mit ausgebildeten Sängersolisten gemeinsame Konzerte veranstalten. Die Amateurliga im Sport hat nichts Anrüchiges, im Gegenteil. Das ist schon eine Bezeichnung, die Respekt zollt. Ich habe nie bedauert, mit ‚Nichtprofis‘ zu arbeiten und dabei sehr beeindruckenden Aufführungen gesehen. Ich denke, 30 Jahre Comedia Schauspieltraining hat doch gezeigt, dass der Plan voll aufgegangen ist.

TAKBlog: Durch deinen Coaching-Hintergrund bist du bestens vernetzt und sehr erfahren. Als erstes Projekt bringst du eine Arbeitsgruppe der Universität zu Köln an die Theaterakademie Köln, die mit Autisten arbeitet. Erzähl uns doch einmal davon.

Ursula Armbruster: Gerne! Ich wurde letztes Jahr von der Uni Köln angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ein Theaterprojekt mit Autisten durchzuführen. An der Uni Köln gibt es eine Autismussprechsstunde, wo insbesondere berufstätige Menschen mit Autismusdiagnose ein Coaching in Anspruch nehmen können, um im Beruf gut klar zu kommen. Mit den Möglichkeiten des Theaters was Kommunikation und Interaktion angeht soll eine neue Herausforderung den Teilnehmer*innen Lernchancen bieten. Das Projekt, an dem auch Menschen ohne Autismus teilnehmen sollen, wird wissenschaftlich begleitet und über die Aktion Mensch finanziert. Es lag für mich nahe, das Projekt an der TAK anzusiedeln und einige der dort Studierenden anzufragen, ob sie teilnehmen möchten. Ein erster Schritt in Richtung Verschränkung und auch dahin, Menschen mit besonderen Merkmalen an Schauspiel und Theater teilhaben zu lassen.

TAKBlog: Was bedeutet für dich die Zusammenarbeit mit Institutionen wie Universitäten und anderen Akademien oder Schulen?

Ursula Armbruster: In erster Linie Herausforderung und Spaß mich mit neuen Themen und Formaten auseinander zu setzen. Denkanstöße bekommen und neue Sichtweisen gewinnen.

TAKBlog: Hand aufs Herz: Warum strömen die Teilnehmer*innen seit Jahren in deine Kurse?

Ursula Armbruster: Die Frage ist schon gut formuliert- weil alle, die zum Team des Schauspieltrainings gehören, die Arbeit nicht nur mit fachlicher Kompetenz, sondern mit viel Herzblut, Engagement und Liebe zu den Menschen machen. Und weil der Theatervirus – eine der schönsten Krankheiten die ich kenne – so schnell um sich greift….

TAKBlog: Was sind deine Pläne für die nächsten Jahre?

Ursula Armbruster: Das Leben nicht nur mit Arbeit verbringen! Nach einer aufregenden, aber auch anstrengenden Übergangszeit wieder mehr Zeit mit Freunden und Patenkindern haben. Einen Chor finden und endlich wieder singen. Mich im Klimaschutz engagieren.

TAKBlog: Und zum Schluss: Du hast einen Wunsch frei. Was wäre das?

Ursula Armbruster: Das kann jetzt nur eine Momentaufnahme sein. Also: Personenschutz für Greta Thunberg.

TAKBlog: Wir danken dir für das Interview!

 

Ursula Armbruster, Theaterpädagogin, (Improvisations-)Schauspielerin, systemische Supervisorin/Coach (Mitglied im Dachverband Deutsche Gesellschaft für Supervision), Dozentin.

Knapp 30 Jahre Leitung der Sparte ‚Schauspieltraining‘ am Comedia Theater in Köln. Seit 2019 Leitung des Fachbereichs ‚Schauspieltraining in der TAK‘.

Freiberuflich seit 1996 tätig als Supervisorin im Profit-wie Nonprofitbereich. Durchführung von Seminaren mit den Schwerpunkten Teamentwicklung/Kommunikation, Konflikt- und Changemanagement. Aufbau von Improtheatergruppen bis hin zur ‚Bühnenreife‘.

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