Allgemein,Gastbeitrag

Robert Christott: 10 Regeln für die Schauspielausbildung

Erfolg ist Einstellungssache. Das klingt jetzt sehr amerikanisch und vermutlich beginnen mehr als eine Million Blogposts mit so einem reißerischen Satz. Aber er stimmt. Die innere Einstellung entscheidet über Erfolg und Mißerfolg. Weniger dadurch, als dass Schauspieler*innen erfolgreich würden, indem sie sich es wünschen. Soviel ist sicher: Am Ende zählen Talent, Fleiß und Mut. Eher umgekehrt: eine bestimmte Einstellung führt ziemlich sicher zum Mißerfolg.

Zielbindung

In der Ausbildung lernen Pilot*innen, im Fall einer drohenden Kollision, nicht auf das Hindernis zu fokussieren. Sonst fliegen sie mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit dagegen. Sie trainieren, auf die Route um das Hindernis herum zu fokussieren. Das nennt man Zielbindung: das extreme fixieren auf das Ziel ohne Blick für die Umgebung. Das kann ich sehr gut auf die Schauspielerei übertragen. Wir reden sehr viel davon, wie schwer & entbehrungsreich dieser Beruf und wie groß die Konkurrenz um die Arbeitsplätze ist. Wir fokussieren häufig auf die Hürden. Nicht umsonst haben wir unseren Podcast Brotlose Kunst genannt, natürlich ironisch gemeint. Dabei müssten wir viel mehr über die Möglichkeiten reden. Wenn ich weiß, was alles möglich ist, fange ich an, loszugehen. Die zentrale Frage in der Lehre für Schauspiel ist für mich nicht die von guter Technik. Sondern die der Motivation.

Wie kann ich Menschen Mut machen, es einfach zu tun?

Wie kann ich Menschen helfen, los zu gehen, Fehler zu machen, daraus zu lernen und das ganze auch mit Freude zu tun? Die beste Technik bringt nichts, wenn du denkst „Das klappt eh nicht.“ und es gar nicht erst probierst. Im Gegenteil aber kann ich mit wenig Technik einfach ausprobieren und so lange Fehler machen, bis es klappt. Ideal wäre beides: Eine gute Technik und viel Freude, durch das tun zu lernen. Und ab und zu auch ein ordentliches Maß Zielbindung – auf den Erfolg, nicht auf das Hindernis.

Persönlich aber niemals privat.

Als ich 2013 die Leitung der Schauspielschule Theaterakademie Köln übernommen hatte, war ich bereits seit gut drei Jahren als Dozent tätig. Damals, bei meinem ersten Lehrauftrag im Jahr 2009 suchte ich nach Inspiration. Denn als Schauspieler war mir die Beziehung von Lehrenden und Lernenden wichtig. Aus der Erfahrung meiner eigenen Schauspielausbildung heraus. Sie sollte nah sein, aber nicht eng. Bestimmt von intensiver Anleitung aber mit viel Freiraum für die Eigenständigkeit der Lernenden. Persönlich aber niemals privat. Damals stieß ich auf Corina Kent, deren Arbeit mich viel später faszinieren sollte und bis heute beschäftigt – was ich aber zu diesem Zeitpunkt damals noch nicht wusste.

Wer ist Corita Kent?

Kent war eine US-amerikanische Nonne, Künstlerin, Lehrerin, Philosophin und politische Aktivistin. Sister Corita zählt zu den innovativsten und ungewöhnlichsten Pop-Art-Künstlerinnen der 1960er Jahre. Auf der Seite Corita.org kann Mensch es so nachlesen:

Corita Kent (1918–1986) war Künstlerin, Pädagogin und Verfechterin sozialer Gerechtigkeit. Im Alter von 18 Jahren trat sie dem Orden Immaculate Heart of Mary bei, lehrte schließlich und leitete dann die Kunstabteilung am Immaculate Heart College in Loa Angeles. Im Laufe ihrer Karriere entwickelte sich ihre Kunst von der Verwendung figurativer und religiöser Bilder zur Einbeziehung von Werbebildern und -slogans, populären Liedtexten, biblischen Versen und Literatur. In den 60er Jahren wurde ihre Arbeit zunehmend politisch und forderte die Zuschauer auf, Armut, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit zu berücksichtigen.

Sister Corita Kent

Sister Corita Kent

Warum ist das wichtig?

Schwester Corita Kent hatte eine Liste mit zehn Regeln für Schüler*innen und Lehrer*innen, nach denen sie lebte und ihre kreativen Prozesse steuerte. Das ist allerdings heute weitestgehend unbekannt. Denn populär wurde diese Liste durch den Komponisten John Cage. Cage fand sie, ergänzte sie und brachte sie an der Studiowand seines langjährigen Partners, des Choreografen Merce Cunningham in New York an. Das sah dann so aus:

 

Die enorme Bekanntheit von Cage verhalf auch der Liste zu einer großen Reichweite. Denn John Cage war einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Viele kennen sein Werk „4´33“, eine Komposition ohne Noten, die in der Regel über die Dauer von 4 Minuten und 33 Sekunden von einer Person am Klavier vorgeführt wird, in dem sie das Instrument vorbereitet, dann 4 Minuten und 33 Sekunden nicht spielt und sich nach der Stille über drei Sätze verbeugt. Geräusche entstehen bei den Aufführungen des Werkes häufig zum Beispiel durch die Zuschauenden, die ungeduldig werden oder gegen die Stille rebellieren, oder vom Applaus der Fans, die das Werk kennen und feiern. Eine ganz besondere Auseinandersetzung also mit der Beziehung von Performer*in, Werk & Zuschauenden. Ein Beispiel ist die Präsentation des Werkes durch William Marx im McCallum Theater im Kalifornischen Palm Desert aus dem Jahr 2010:

Funfact

In Raum 1 der Theaterakademie Köln steht ein Flügel. Ein ziemlich altes Ding, wegen dem unser Klavierstimmer immer wieder die Hände über dem Kopf zusammen schlägt. Aber für den Gesangsunterricht reicht es offenbar. Dieses Instrument habe ich tatsächlich vor zehn Jahren gewonnen. Als so genannter Cage-Flügel wurde er von der Kölner Philharmonie verlost. In der Art von John Cage war er mit Alltagsgegenständen wie Büroklammern und Golfbällen präpariert, wodurch sich natürlich der Klang stark verändert. Im Rahmen des „Acht Brücken“ Musikfestivals 2012 stand er im Foyer der Philharmonie, nun steht er kurz vor der Rente bei uns.

 

Nun aber zur Liste

Wir haben es also bei den „10 Regeln“ wieder einmal mit der Idee einer Frau zu tun, die erst durch einen Mann große Popularität erfahren hat. Well. Alleine deshalb sollte Mensch von Coritas Werk erzählen. Aber auch der Gehalt lohnt sich. Daher nun zum Inhalt der Liste. Diese Regeln bilden nämlich das Grundgerüst für eine künstlerische Bildungseinrichtung. Viel mehr braucht es eigentlich nicht. Ich möchte das, was & wie wir an der TAK unterrichten, einmal anhand der zehn Regeln erklären.

Rule 1: Finde a place you trust, and then, try trusting it for awhile.

Diese Regel ist nicht umsonst die erste, denn sie ist die Wichtigste. So wichtig, dass ich sie in drei Häppchen beantworten muss. Okay, los gehts:

Über Machtmissbrauch an Schauspielschulen und unsere Haltung an der Theaterakademie Köln zu diesem Thema

Find a place…

Wie findet man einen solchen Ort? In der Regel finden Menschen uns wie alles andere auch:  über eine Internetsuche. Du meinst irgendwann im Verlauf des Lebens, dass eine Schauspielschule vermutlich der Ort ist, wo du das bekommst, wonach du dich sehnst: Das tiefe Eintauchen in die Schauspieltechniken. Oft ist das direkt nach der Schulausbildung, manchmal aber auch mitten im Studium oder am Ende einer erfolglosen Jobsuche.

Also wird’s gegoogelt und du landest auf unserer Webseite. Anders sieht es aus, wenn du auf andere Weise in Kontakt mit der Theaterakademie Köln kommst. Zum Beispiel, in dem du eine Vorstellung mit TAKkies am Theater Hagen siehst oder im CASAMAX Theater in Köln, dessen Ensemble fast ausschließlich aus TAKkies besteht, oder eine Folge von „Alarm für Cobra 11“ mit TAKkie Pia Stutzenstein als Ermittlerin gesehen hast oder, oder… Dann führt der Weg auf unsere Webseite. Viele Wege führen nach Rom.

Aber hier sind wir ja noch nicht wesentlich weiter. Denn Dinge im Netz finden ist ja einfach, die Auswahl gigantisch. Alleine in Köln gibt es ein knappes Dutzend Schauspielschulen. Aber nicht alle sind staatlich anerkannt, nicht alle bilden umfassend aus. Nicht jede Schule ist auch eine gute Schule für dich. Es lohnt sich also, sehr genau hin zu schauen und zu vergleichen.

…a place you trust…

Hier wird es aufwändig. Ich lege den Bewerber*innen nahe, eine interessante Schule so gut wie möglich kennen zu lernen. Um Vertrauen aufzubauen, ist ein langer Prozess nötig: Menschen müssen sich begegnen & erleben.

Auf der Webseite stehen viele Infos. Aber was kann man nicht alles aufschreiben… Also braucht es einen direkten Kontakt. Bei uns ist das das kostenlose Beratungsgespräch, für das du ganz einfach online mit wenigen Klicks einen Termin machen kannst. Wir sprechen meist eine halbe Stunde am Telefon, dann hast du zu den hard Facts schon mal eine Stimme.

Nächster Schritt: Arbeitsprobe & Hospitation. Wir laden dich zum Vorsprechen ein. Das ist nicht bloß ein klassisches Rollenvorspiel, sondern ein ausführliches Kennenlernen mit einer ein- bis zweistündigen Solo-Probe an einem Monolog. Wie das genau abläuft, habe ich in unserem Podcast ausführlich erklärt. Im Anschluss an die Arbeitsprobe kannst du so lange wie gewünscht in der Theaterakademie Köln bleiben, mit Klassen mitlaufen, Unterricht anschauen, mit Schüler*innen und Dozierenden ins Gespräch kommen.

Durch das eigene Erleben und die Möglichkeit, in den persönlichen Austausch zu kommen, können wir den Bewerber*innen auf Augenhöhe begegnen und einen Raum für jede Frage aufmachen. Beantwortet werden kann sie dann von mir, den Kolleg*innen, den Schüler*innen oder einfach durch die probeweise Teilnahme am Unterricht. Learning by doing, so zu sagen. Oder wie Einstein sagte: „Lernen ist erleben. Alles andere ist bloße Informtion.“

…try trusting it for awhile.

Du bist an der TAk aufgenommen, du startest die Ausbildung, alles ist in Butter! Anfangs ja. Aber wir kennen uns dann ja immer noch kaum. So ausführlich, offen & transparent unser Aufnahmeverfahren auch immer ist, es zeigt sich nur über die Strecke von vier Ausbildungsjahren, wie stabil das Arbeitsamt- und Vertrauensverhältnis ist – wenn das Vertrauen mal ins Wanken gerät. Und das wird es. Alles andere zu behaupten, wäre meiner Erfahrung nach nicht seriös. Die Perspektiven von Schüler*innen, Dozierenden und der Leitung auf die Prozesse im Verlauf der Ausbildung sind so unterschiedlich, dass es zwangsläufig zu Differenzen kommt.

Das ist auch total normal und auch gut, denn das Leben ist ja ein permanenter Kompromiss. Wir legen Wert auf penibles Wiederholen, du willst einfach spielen. Das kann so ein kleiner alltäglicher Konflikt sein. Oder wir wollen, dass du etwas erst einmal ausprobierst, du willst gerne mehr Anleitung und Sicherheit. Ganz normale Momente in der Ausbildung. Es gibt aber auch Herausforderungen wie zum Beispiel eine Pandemie, die das gegenseitige Vertrauen auf die Probe stellt.

Entscheidend ist, wie offen das System in der Krise noch ist.

Alle Menschen in der Leitungsebene der Theaterakademie Köln sind nahezu permanent ansprechbar. Das ist anstrengend, aber auch gut. Denn wenn der Schuh drückt, ist es wichtig zuzuhören. Manchmal dauert es etwas, das ist nicht zu leugnen. Aber am Ende hat noch jede Frage ihren Raum bekommen. Zum gegenseitigen Abgleich gibt es regelmäßige Treffen von Schüler*innenschaft & der Leitung, ob in der größeren Runde, wie wir es seit diesem Semester zum ersten mal nach Beginn der Pandemie wieder gemacht haben, oder im kleinen Kreis 14täglich mit den Schulsprecher*innen. Das bedeutet natürlich nicht, dass Menschen immer einer Meinung wären. Aber jede Anregung, jede Kritik bekommt ihren Raum und wird ernst genommen.

Vertrauen. Wir arbeiten volle vier Jahre daran – und damit. Das stiftet Sinn & Identität.

Aus meiner Erfahrung ist das auch bestimmten Rhythmen unterworfen. Am Beginn der Ausbildung ist rosarote Brille: Alles super, spannend, neu. Dann setzt eine gewisse Ernüchterung ein. Der Schulalltag ist sehr normal und wird gewissenhaft durchgestanden. Am Ende dann, Richtung letztes Jahr, stellt sich manchmal eine Art produktive Panik ein: Was kannst du noch rausholen, wo gibt es noch Defizite, wie kannst du noch intensiver lernen und alles erleben, was dich irgendwie auf den Beruf vorbereitet? Hier ist dringend eine enge Kommunikation mit den jeweiligen Mentoren gefragt. Meist sind das nicht Leitungsmenschen, sondern die Dozierenden, die das Abschlussprojekt betreuen.

Rule 2: General duties of a student — pull everything out of your teacher; pull everything out of your fellow students.

TAKBlog - Das Blog zum Thema Schauspielausbildung und Schauspiel

Das Thema Selbstengagement ist wichtig an der Theaterakademie Köln. Schauspielende arbeiten später in einem Umfeld, in dem oftmals niemand auf sie wartet. Das Tempo ist hoch und es wird viel Eigenleistung erwartet. Ob das im Kunstkontext immer so gut ist, ist sicherlich zu diskutieren. Aber es ist nun mal ein Fakt. Und du weißt, dass du als Darsteller*in  nicht zu Hause sitzen und auf den Anruf warten darfst. Du musst aktiv sein.

Wir nennen das an der TAK „aktive Teilnahme“. So steht es auch in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung. Also: nicht nur immer da sein. Sondern aktiv die Inhalte weiter arbeiten und mit neuen Fragen in die nächste Stunde kommen. Dafür können die Schüler*innen auch 24/7 das Schulgebäude betreten und Unterrichte nach- und vorbereiten, sowie die Räume für eigenen Projekte nutzen. Diese eigenen Erfahrungen sind es, die neue Perspektiven aufmachen und was uns Dozierende in die Lage versetzt, individuell mit den Menschen über die Inhalte der Seminare hinaus zu arbeiten.

Rule 3: General duties of a teacher — pull everything out of your students.

Wir stellen also fest: Aktive Beteiligung an den Seminaren ist der Schlüssel zum Erfolg. Auf der anderen Seite sind wir eine Berufsfachschule, haben also eine klare Bringschuld, was das Vermitteln von Techniken, Kompetenzen und Kontakten angeht. Wir müssen die Grundlagenlegen für diese Haltung legen: alles aus sich, aus uns und aus den Mitschüler*innen heraus zu holen. Das dürfen wir nicht von Anfang an einfach als gegeben voraussetzen. Daher haben wir Dozierende in einer Konferenz neulich eine Wunschliste an die Schüler*innen der TAK verfasst.

Am Anfang der Ausbildung arbeiten wir sehr engmaschig. Wir leiten und steuern die Prozesse stark. Das nimmt ab der Zwischenprüfung nach Semester vier deutlich ab zugunsten von Erlebnisräumen der Eigenständigkeit. Das fühlt sich dann manchmal nach zu viel Freiraum an und wir tun gut daran, den Schüler*innen das auch immer wieder zu erklären: Ihr habt eigentlich alles, was ihr wissen müsst. Jetzt geht die ersten Schritte selbstständig und noch im Verlauf der Ausbildung. Dann könnt ihr noch im Schutzraum Schule Fehler machen & davon lernen, bevor ihr den Abschluss macht und danach auf einmal alles 100%ig zählt.

Rule 4: Consider everything an experiment.

Wir arbeiten in der Schauspielerei immer mit der Möglichkeit, zu scheitern. So toll, wie wir es uns in unseren Köpfen ausmalen, können wir gar nicht spielen, inszenieren, schreiben, choreografieren. Es ist alles also immer der Versuch, möglichst nahe an eine perfekte Variante dran zu kommen. Dabei wissen wir, dass „perfekt“ eine Illusion ist. Deshalb scheitern wir und stellen fest, dass wir bei diesem Scheitern etwas tolles gefunden haben. Etwas so tolles, wie wir es uns vorher gar nicht haben denken können. Denn vorher waren es nur unsere eigenen Gedanken, jetzt kommen die kreativen Impulse der anderen Spieler*innen dazu, der Regie, der Dramaturgie, von Kostüm und Maske… Das Scheitern an sich selbst führt im besten Fall zu Kunst. Daher ist alles ein Experiment. Ich liebe diese Regel, vor allem als Regisseur.

Rule 5: Be self-disciplined — this means finding someone wise or smart and choosing to follow them. To be disciplined is to follow in a good way. To be self-disciplined is to follow in a better way.

Ich würde nur wenige Menschen in meinem beruflichen Umfeld als „weise“ bezeichnen. Smart sind wir denke ich alle, denn wir arbeiten in diesem Beruf. Wir leben davon. Wir haben etwas weiter zu geben. Und sind trotz aller Herausforderungen freudvoll & inspiriert dabei. Daher können wir Strategien vorleben und vermitteln, mit denen wir es geschafft haben, in diesem schwierigen Beruf zu bestehen. Aber die Schüler*innen machen das ja nicht für uns, sondern für sich. Die Disziplin, folgsam zu arbeiten und seine Hausaufgaben zu machen, ist am Anfang wichtig. Sehr schnell wird es zur Selbst-Disziplin, die geforderten Aufgaben nicht nur zu erfüllen, sondern eigene Schlüsse, Fragen & Wünsche daraus zu generieren.

An dieser Stelle darf ich Marcel Fechenbach zitieren: „Fleiß sticht Talent!“ Marcel ist ein lieber Freund, er ist Caster & Agent, Chef der Schauspielagentur f&s. Und er kommt regelmäßig zu den TAKkies und erklärt ihnen das Agenturbusiness. Bei seinen Seminaren bringt er regelmäßig Geschichten aus der Praxis mit, von Menschen, die erfolgreich geworden sind, weil sie mit enormem Biss & Fleiß alles aus sich rausholen (s. auch Rule 7).

Rule 6: Nothing is a mistake. There’s no win and no fail, there’s only make.

Das Schwerste am Anfang ist, es einfach zu tun. Zu sehr sind wir von dem Wunsch geprägt, es „perfekt“ zu machen, andere zu beeindrucken, selbst überragendes zu erleben (s. auch Rule 8). Daher ist der Anfang immer zu groß, zu laut, zu schnell. Wir brauchen ewig, um selbst auf das zu kommen, was Michael Caine sagt: „Weniger ist mehr.“ Aber dafür muss ich es tun. Ich muss losgehen, Fehler machen – die eben keine Fehler sind, sondern die Erfahrungen, die zum richtigen Ergebnis führen – dann wieder aufstehen & weiter gehen. Raus aus der Komfortzone.

Das geht besonders gut, wenn die Räume dafür zur Verfügung stehen. Das können reale Räume oder auch Räume im übertragenen Sinn sein. Real sind zum Beispiel 1000 qm Arbeitsfläche in der Schule selbst, die genutzt werden können. So gibt es auch an der Theaterakademie Köln ein eigenes Theater: BOX – Theater in der Südstadt. Die TAKkies können hier inszenieren, spielen, eigene Projekte oder Ergebnisse aus der Arbeit zeigen. Und als Teil des BOX-Teams auch lernen, wie man ein Theater führt. Da kommt man schnell aus der Komfortzone raus.

Und die Räume im übertragenen Sinne sind Denkräume. Spielräume, die wir den Schüler*innen eröffnen, in dem wir ihnen nicht alles vorkauen. Sondern sie kreativ anstoßen und dann machen lassen. Begleitet natürlich, aber mit dem Ziel, eigene Lösungswege zu finden. So wird das lernen intensiv, immersiv und praktisch erlebt.

Rule 7: The only rule is work. If you work it will lead to something. It’s the people who do all of the work all of the time who eventually catch on to things.

Mach es. Nur Mut. Denn Schauspiel unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Künsten: Du bist als Körper & Geist immer selbst das Kunstwerk. Aber wie eine Musikerin ihr Instrument täglich spielt und übt, musst du täglich dein Schauspiel trainieren. Und du musst machen: Ideen sammeln, ein Konzept erstellen, das Team finden und probieren. Und dabei nicht zu viel denken. Okay, denken ist schon auch wichtig, klar. Aber nur das konkrete Tun erlaubt dir, eine reale Erfahrung zu haben. Deshalb kannst du auch 24/7 in der Theaterakademie Köln sein und üben, Proben durchführen, Texte lernen, Pläne schmieden, mit der Kamera filmen oder oder oder. Mach.

Oder wie ein Kollege der Theaterakademie Köln es manchmal beschreibt: Schauspielausbildung ist wie der Führerschein. Wir zeigen dir das Auto, wie alles funktioniert, wie man es auflädt und welche Knöpfe du wann drücken musst. Um aber wirklich gut zu fahren, muss du es tun. Ob du jemals losfährst, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit – das ist allein deine Entscheidung. Und deine Verantwortung, dir selbst gegenüber.

Rule 8: Don’t try to create and analyze at the same time. They’re different processes.

Einfach-mal-anders denken

Wir spielen für das Publikum. Schauspiel, ob nun Theater oder Film ohne Zuschauende ist völlig sinnlos. Das führt oft dazu, dass wir unsere eigene Arbeit zu sehr durch die Brille des Publikums sehen wollen – was schlichtweg nicht geht. Spielen heißt völlige Hingabe an eben diese Aufgabe. Von außen betrachten heißt, nicht im Moment sein. Großes Problem, grade wenn wir über Halbfertiges reden.

In der Ausbildung haben wir es mehr mit Prozessen zu tun, als mit Ergebnissen. Daher müssen wir einen Weg finden, über Dinge zu reden, die noch nicht zu Ende gearbeitet sind. Dafür haben wir die Feedback-Methode der niederländischen Theaterschule DASARTS eingeführt.

Ein Alumnus dieser Schule, Manolis Tsipos, der auch im Video oben zustehen ist, war in Köln und hat uns in dieser Methode unterrichtet. Wichtig in der praktischen Arbeit sind die ersten Fragen der Methode:

1. Was hat funktioniert?
2. Welche Fragen sind offen geblieben?
3. Was würde ich mir wünschen?

Seit dem arbeiten wir damit und haben eine guten & konstruktiven Weg gefunden, einfach zu spielen. Das Analysieren überlassen wir dem (fachkundigen) Publikum.

Rule 9: Be happy whenever you can manage it. Enjoy yourself. It’s lighter than you think.

Diese Regel ist eigentlich ganz am Anfang wichtig. Denn niemand in der darstellenden Kunst macht diesen Job, weil sie reich & berühmt wird oder weil mensch damit so schön schnell immer Feierabend hat. Der Job ist hart und wir alle brauchen ein dickes Fell. Aber es macht einfach Spaß. Schauspielende sind in der Regel Genussmenschen. Also darf das auch ganz oft Spaß machen. Nicht immer klappt das, das ist auch klar. Aber wenn das Umfeld stimmt, macht sogar das Scheitern Spaß. Weil du weißt, dass du nur so lernst und neue Erfahrungen machst.

Schauspielerei ist ganz ehrlich auch eine Parallelwelt, und in zu fliehen manchmal einfach gut tut. Den Alltag draußen lassen und hinter den Türen des Probenraumes einfach viel intensiver leben. Das ist schon ein absoluter Luxus.

Rule 10: “We’re breaking all the rules. Even our own rules. And how do we do that? By leaving plenty of room for X quantities.”

Wichtig: Auch wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Wir sind die Dozierenden, weil wir die Lebens- und Berufserfahrung haben, die uns erlaubt, die eigenen Fehler und Erfolge gleichermaßen produktiv zu machen. Aber wir erheben keinen Anspruch auf Genialität und auch wir kochen nur mit Wasser. Also gibt es genug Raum, unsere Weisheiten infrage zu stellen, um ganz eigene Perspektiven zu erlangen. Das ist eigentlich das Ideal: Lerne alles, was wir anzubieten haben, dann stelle die richtigen Fragen und: Mach es besser.

Auch deshalb erlauben wir unseren Schüler*innen, im Verlauf der Ausbildung schon schauspielerisch zu arbeiten. Denn an anderen Orten wird anders gearbeitet. Und das ist super so. Wir mögen Methodenvielfalt und Diversität auf allen Ebenen. Lerne unsere Inhalte, dann erleben woanders einen ganz anderen Ansatz. Beides funktioniert irgendwie? Super! Dann bau dir dein ganz eigenes Handwerksköfferchen zurecht. Wir helfen dir dabei.

HINTS: Always be around. Come or go to everything. Always go to classes. Read anything you can get your hands on. Look at movies carefully, often. Save everything — it might come in handy later.

Netflix sei dank müssen wir uns alle keine Gedanken darum machen, dass Menschen genug gute Serien & Filme schauen. Aber vor allem der regelmäßige Gang ins Theater – von der kleinen Off-Bühne bis hin zum großen Saal im Schauspielhaus – trainiert das Auge und bietet Unmengen an Inspiration. Auch das Netzwerken funktioniert nicht von der Couch aus. Erfolg ist auch: Menschen sehen, kennen lernen, immer wieder da sein und irgendwann ins Gespräch kommen. Erfolg ist Hand- und Fußarbeit.

Unsere zahlreichen Kooperationen bieten dazu viel Gelegenheit, denn ständig werden Jobs angeboten, die nicht nur ein bisschen Kohle bringen und das gute Gefühl, dass die Ausbildung dich weiterbringt, sondern eben auch Kontakte. Alles kann irgendwann hilfreich sein. Also geht raus und erlebt die Szene. Wir sind in einigen Branchenverbänden organisiert wie dem Bundesverband Theaterpädagogik, dem Verband freie darstellende Künste NRW oder dem Verband der deutschsprachigen privaten Schauspielschulen. Zu Netzwerken wie Gewerkschaften und dem Interessenverband BffS stellen wir Kontakte her.

Was dann daraus wird, ist deine Sache.

 

 

 

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Robert Christott hat 2004 an der Theaterakademie Köln sein Schauspieldiplom absolviert und im Anschluss Kulturmanagement an der Hochschule für Musik & Theater Hamburg studiert.

Er leitet die Theaterakademie Köln seit 2013. Außerdem ist er im Leitungsteam des Kölner BOX – Theaters in der Südstadt, im Vorstand des Orangerie Theaters Köln, Lehrbeauftragter für Schauspiel & Rhetorik an den Universitäten Köln & Zwickau und Sprecher im Ensemble des Deutschlandfunks.

Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern im Kölner Norden.

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Fotos:

Rule 1 (Theaterakademie Köln, Außenansicht), 2 (Szenenstudium, Leitung Ragna Kirck, Theaterakademie Köln), 4, 10 © Neue Bilder/ Simon Howar

Rule 3 (Ensemble Textil Trilogie, Diplominszenierung 2018, Leitung Ragna Kirck, Orangerie Theater im Volksgarten Köln) © Patric Prager

Rule 5 (Ensemble Homo Empathicus, Diplominszenierung 2018, Leitung Tim Mrosek, Studiobühne Köln) © Ingo Solms

Rule 6 & 8 Unsplash.com

Rule 7 (Bühne des BOX – Theaters und er Südstadt https://www.box-koeln.de) © Paulina Triebs

Rule 9 (Szene Schauspieltraining) © M. Decher