Einfach mal anders denken – wie geht das eigentlich? Vom Versuch, das Denken umzukrempeln. Oder: Wie unsere Gedanken unser Leben bestimmen – in der Schauspielerei oder im Alltag. Ein Artikel von Maria Sauckel-Plock.
Wie tolerant sind wir?
„Den Charakter eines Menschen erkennt man an den Scherzen, die er übel nimmt“
(Christian Morgenstern)
Ich mag Dinge, die ich anstößig finde (In der Kunst oder im Alltag), weil sie mir die Grenzen meiner Toleranz aufzeigen und helfen, sie zu erweitern. Das erlebe ich sowohl im Theater, als auch im Alltag recht oft. Alles, was in mir Schock, Ekel, Abneigung oder Empörung auslöst, schafft für einen Moment Distanz zwischen mir und der Sache oder dem Menschen, der mit ihr zu tun hat. Es ist wie eine Schutzmauer, die von meinen inneren Glaubenssätzen und antrainierten Mechanismen wie zb. Moral in Sekundenbruchteilen in mir aufgebaut wird. Sobald mir das bewusst wird, trete ich immer erstmal einen Schritt zurück und lasse diese Mauer in meinen Gedanken von einer Wasserflut durchbrechen und dann passiert etwas Magisches: Ich sehe was ist, ohne Bewertung oder Projektion, ich sehe einfach was ist. Ich habe die Grenzen meiner Toleranz erkannt und sie einfach fallen lassen. Was für ein heilsamer Prozess, wie ich finde!
Die Tatsache, dass mir das öfter passiert, zeigt mir immer wieder, wieviel toleranter ich anderen Menschen oder ihren Handlungen gegenüber sein könnte, und dabei halte ich mich eigentlich schon für einen sehr toleranten Menschen. Aber das ständige „Bewusst werden“ meiner menschlichen Grenzen zeigt mir immer wieder, dass ich eben auch nur ein Mensch bin. Ein Mensch, der in jedem Moment die Möglichkeit hat, sich selbst zu überdenken und sein Denken und Handeln zu ändern.
Prinzipien über Bord – Es ist gut, seine Meinung zu ändern
Seine Meinung zu ändern, wird oft als ein Zeichen von Willensschwäche interpretiert. Ich sehe das anders. Es ist kann auch bedeuten, dass jemand sich selbst reflektiert und dazu gelernt hat. Was natürlich nicht heißt, dass jemand, der ständig seine Meinung ändert, unbedingt reflektiert sein muss. Aber wer immer auf seiner Meinung beharrt und nie den Standpunkt wechselt, sieht eben immer nur aus einer Perspektive und das finde ich persönlich nicht besonders reflektiert, weitsichtig oder offengeistig.
In der Gesellschaft wird es als positive Charaktereigenschaft angesehen, ein Mensch mit Prinzipien zu sein. Aber was sind eigentlich Prinzipien? Sind sie negativ oder positiv? Und ist das nicht auch schon eine Wertung? Und ist Wertung nicht eine Projektion aus unserem Innern, die den Blick auf das, was ist, verschleiert?- Sind „Prinzipien“ vielleicht einfach nur ein Zeichen von festgefahrenem Denken, dass sich hinter dem gutgemeinten Versuch versteckt, ein guter Mensch zu sein, sprich: authentisch, also auch konsequent zu sein? -Jeder Mensch, jede Handlung, jeder Moment ist aber so einzigartig, dass man eigentlich nichts nach gleichen Maßstäben bewerten kann, finde ich.
Raus aus der Comfort-Zone!
Wie oft bekommt man in seiner Schauspielausbildung gesagt: Du musst raus aus deiner Comfort-Zone! Aber wie geht das eigentlich und wie kann man das in seinen Alltag integrieren?
Wie oft tun wir im Alltag immer wieder die gleichen Dinge, und das ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein? Wie oft gehen wir genau den gleichen Weg zur Arbeit, benutzen die gleiche Toilette auf der Uni, kaufen die gleichen Dinge im Supermarkt, besuchen die gleichen Cafés und bestellen dort immer das Gleiche? Wir tun immer wieder die gleichen Dinge, weil es bequem ist, weil wir nicht darüber nachdenken müssen und weil es uns ein Gefühl von Sicherheit gibt.
Um unser Gehirn flexibel zu halten, sollten wir uns aber öfter mal mit neuen Dingen beschäftigen, mit neuen Sinneserfahrungen umgeben. Wie wäre es, jede Woche mal ein neues Gericht auszuprobieren oder ein unbekanntes Gewürz zu kaufen? Jede Woche einen Ort zu besuchen, an dem man noch nie war? Oder mal Musik zu hören, die man sonst nie hört? Doch Vorsicht: Unsere Comfort-Zone ist flexibel. Auch Dinge, die mal außerhalb deiner Comfort-Zone lagen, können durch Regelmäßigkeit schnell zur Gewohnheit werden und dich somit in den Alltagstrott zurück werfen.
„Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern“ (Konfuzius)
Schicksal oder Zufall? Vom Phänomen der Neuroplastizität
Als philosophisch und psychologisch interessierter Mensch beschäftige ich mich schon lange mit der Frage inwieweit wir als Menschen determiniert sind und ob wir freie Entscheidungen treffen. Sind wir durch unsere Gene festgelegt oder können wir unser Leben frei gestalten? In der heutigen Neuro-Wissenschaft spricht man vom Phänomen der Neuroplastizität, also von der Formbarkeit unseres Gehirns, die zum Beispiel durch Meditation, Sport, gesunde Ernährung, regelmäßigen Schlaf und positive Affirmationen oder Gehirnjogging stark positiv beeinflusst werden kann.
Durch Training und neue Reize verändern Neurone ihre Funktion, synaptische Schaltkreise verknüpfen sich neu, ganze Hirnregionen können schrumpfen oder wachsen. Wer bestimmte Hirnareale nicht fördert und fordert, lässt sie schrumpfen. Routine und Gewohnheit sind der größte Feind der Neuroplastizität! Also öfter mal raus aus dem Alltag, raus aus der Gewohnheit, sich in ungewohnte Situationen bringen, Dinge tun, die man lange nicht mehr gemacht hat, Dinge ausprobieren, die man noch nie gemacht hat, vielleicht nie tun würde. Schreib doch mal eine Liste! Du kannst dir auch vornehmen, jeden Tag eine Sache anders zu tun, als du sie sonst tust. Du könntest zum Beispiel mal einen ganzen Tag alles mit der linken Hand tun, was man als Rechtshänder sonst mit der rechten tut. Das stärkt die Willenskraft und trainiert die Bewusstheit, die wir im Alltag verloren haben.
Glücklich sein ist eine Entscheidung
Energy flows where attention goes. Instead of focusing on problems focus on what you want to create.
Wenn wir nun also, wissen, dass wir mit unserem Denken unser Leben und unser Handeln steuern und dass unsere Realität im Kopf entsteht, gibt es keine Ausreden mehr, keine Entschuldigung für unser eigenes Unglück. Ja, vieles ist schrecklich, was in der Welt passiert, und das fängt in unseren Köpfen an. Wollen wir also etwas verändern, sollten wir bei uns selbst anfangen. Wir selbst sind für unser Glück verantwortlich und nicht die Welt. Unsere eigenen Probleme geben uns ein Gefühl von Sicherheit, von Comfort. Oft brechen wir nicht aus unseren Problemen aus, auch wenn wir es könnten, weil sie etwas sind, woran wir uns festhalten können. Sie werden zur Gewohnheit und Gewohnheit ist bequem.
Manchmal haben wir vielleicht Angst vor der Ungewissheit, vor dem, was uns erwarten könnte, wenn wir uns von unseren Problemen befreien. Doch ich glaube, das kann nur etwas Gutes sein. Ich glaube, jeder kann glücklich sein. Aber wir müssen uns dafür entscheiden. Eine Entscheidung zu treffen heißt, einen Weg wählen und einen Weg wählen bedeutet andere Wege aufgeben. Wege sind nicht gerade und auch nicht glatt. Wenn wir einen Weg gehen bedeutet das jedoch, vorwärts zu gehen, und im Jetzt zu sein. Das Leben ist immer in Bewegung. Wenn wir stehen bleiben, um zu schauen, welche von den Millionen Wegmöglichkeiten die Beste für uns sein könnte, verpassen wir das, was auf dem Weg auf uns wartet. Wenn wir nicht gehen, kommen wir nirgendwo hin. Und wir können uns jederzeit für einen anderen Weg entscheiden, wenn wir merken, dass der jetzige Weg nicht mehr passt.
Denn: Das Leben ist keine Karriereleiter (wie auch auf der Treppe zur Theaterakademie Köln steht). Es gibt keinen Weg zum Glück, das Glück liegt auf dem Weg. Und am Anfang eines Weges steht immer die Entscheidung, ihn zu gehen.
Baue dir deine eigene Realität! Affirmationen zum Erreichen von Zielen
Wir alle haben eine innere Schallplatte, die meistens die gleichen Gedanken abspielt, und die meisten davon sind auch noch negativ, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Wir sind wie ein Computer. Auf unserer inneren Festplatte sind die Informationen gespeichert die unser Denken, Verhalten, unsere Gewohnheiten und unser Leben bestimmen. Oft gibt es innere Glaubenssätze oder Gefühlswiderstände, die uns daran hindern, das zu erreichen, was wir erreichen wollen. Meistens sind es Angst oder Schuldgefühle, die uns hindern. Hier eine Übung zum bewusst werden und auflösen negativer Glaubenssätze:
1. Schreibe auf ein Blatt Papier: „Der Grund, warum ich nicht bekomme, was ich möchte, ist…
zB. –Ich bin zu faul
-Ich habe Angst
-Ich habe zu wenig Geld
-Ich habe zu wenig Zeit
-Es ist zu schwierig
-Ich will nicht
-das gibt es überhaupt nicht
-Jemand hat gesagt: „Das kannst du nicht.“Denke nicht viel darüber nach und schreibe einfach 20-30 Gedanken auf, so, wie sie dir in den Sinn kommen.
2. Mach die Übung nochmal, nur benenne diesmal genau, was du nicht bekommst, zB. „Der Grund, warum ich kein Engagement/keinen Job bekomme/nicht die Rollen bekomme, die ich will, ist…“ und mach weiter wie vorher beschrieben. Sinne ein paar Minuten darüber nach und überprüfe, inwieweit du an die Gedanken auf der Liste glaubst und entwickle ein Gespür dafür, wie sehr du deine Möglichkeiten selbst begrenzt.
3. Erstelle eine Liste mit allen erdenklichen negativen Einstellungen dir selbst, anderen Menschen, Beziehungen, der Welt, dem Leben gegenüber. Sitze ruhig da und werde dir klar, von welchen dieser Gedanken du dich bewusst oder unbewusst beherrschen lässt. Falls Gefühle hochkommen, lasse sie zu und erlebe sie so intensiv wie möglich. Vielleicht erinnerst du dich blitzartig an ein Kindheitserlebnis oder Aussprüche deiner Eltern oder LehrerInnen, die auf eine bestimmte Art festgelegt haben, wie du die Welt siehst.
4. Nachdem du dich nun mit mehreren Glaubenssätzen, an denen du vielleicht festhältst, konfrontiert hast, zerreiß die Liste. Das symbolisiert, wie wenig Einfluss sie jetzt auf dein Leben haben. Schreibe jetzt einige positive Affirmationen auf, um deine einengenden Glaubenssätze durch positive zu ersetzen, die dich aufbauen, wie z.B. :
-Ich lasse nun meine Vergangenheit los, sie ist vorbei und ich bin frei.
-Ich darf glücklich und erfolgreich sein. Ich bin jetzt glücklich und erfolgreich.
-Ich bin bereit, …. Zu erreichen.
-Ich habe es verdient, .…zu sein/haben
-Es ist in Ordnung für mich, alles zu haben, was ich mir auch wünsche
Mehr tolle Übungen zum kreativen Visualisieren und loswerden negativer Gewohnheiten durch Affirmationen und die Kraft der inneren Bilder findet ihr im Buch „Die Silva Mind Methode“, eins meiner Lieblingsbücher! Darin erfahrt ihr zum Beispiel auch, wie ihr euer Gehirn in den „Alpha“-Zustand (10 Hertz) versetzt, der Zustand größtmöglicher Entspannung im Wachzustand. Denn der Rhythmus der Konzentration, der Intelligenz, des Wohlbefindens liegt in dem Bereich, wo Hirnwellen unter 19 Hertz erzeugt werden.
Bewusstheit schärfen – Einfach mal das Handy in der Tasche lassen
Wie oft am Tag benutzen wir eigentlich unser Handy? In welchen Momenten benutzen wir es am meisten?- Wenn wir warten müssen. Ob in der Bahn, in der Warteschlange im Supermarkt, an der Bushaltestelle, oder wenn wir auf einen Freund warten. Unser kleiner elektronischer Freund füllt die Lücken unseres Alltags, in denen wir gerade nicht mit etwas anderem beschäftigt sind. Er füllt die Leere, und bewahrt uns davor mit uns selbst in Kontakt zu treten. Diese Leere scheint unser Feind zu sein, denn sie ist für uns meistens ein Synonym für Langeweile. Und was ist Langeweile nichts anderes als auf sich selbst zurück geworfen zu sein?
Doch wie sollen wir uns oder etwas in unserem Leben ändern, wenn wir ständig die Stimme in unserm Inneren übertönen und wir vor lauter Ablenkung nicht einmal sehen was überhaupt da ist?
Der Verstand braucht auch mal eine Pause. Eine für mich sehr hilfreiche Methode, um Gedanken zur Ruhe bringen, ist Meditation. Wer ab und zu mal still ist, gibt der Stimme in seinem Innern Raum und kann so klarer und fokussierter die Dinge in seinem Leben angehen. Das trainiert die Achtsamkeit im Alltag, beruhigt den immer plappernden Verstand und stärkt die eigene Intuition. Wer ganz wenig Zeit hat, findet im Buch „Mini Meditationen“ von Ullrich Hoffmann kleine Meditationen für jederzeit und überall.
„Wir sind, was wir denken. Alles was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.“ (Buddha)
von Maria Sauckel-Plock
Titelbild: stefan cosma / unsplash
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