Kolumne

Frau Müller stellt fest – SchauspielerInnen sind arm

Frau Müller – unsere neue Kolumnistin – widmet sich ab sofort allen Themen rund um die Schauspielerei. In ihrer ersten Kolumne stellt Frau Müller fest: „SchauspielerInnen sind arm“. Warum sie das feststellt und wie sie darüber denkt, kannst du in ihrer ersten Kolumne nachlesen.

Ich bin Frau Müller

Mein Name ist Frau Müller und ich freue mich, dass ich jetzt alle paar Wochen für den Blog schreiben darf. Ich bin über das Internet auf diesen Blog gestoßen und fand, dass ich mit meinen 56 Jahren zu diesem Thema doch so einiges beitragen kann. Ich bin Vermieterin in Hamburg Altona und in einer meiner Wohnungen leben drei SchauspielerInnen zusammen. Mein Mann war vierzig Jahre an einem Theater tätig und daher hatte ich schon immer ein Interesse an der Schauspielerei und dem Theater. Ich finde das alles sehr interessant. Umso mehr freue ich mich, dass ich jetzt hier mal was schreiben darf.

Meine Mieter sind SchauspielerInnen

Mir ist ein enger Kontakt zu meinen Mietern wichtig. Ich bin der Meinung: je mehr man sich um die Mieter kümmert und einen guten Kontakt zu ihnen aufrecht hält, desto besser klappt diese ganze Vermietung auch. Deshalb besuche ich meine Schauspieler-Kommune (ich nenne sie manchmal so, weil die alle ja Single sind und bestimmt der freien Liebe frönen) jede Woche. Immer sonntags. Da schaue ich dann, ob die Wohnung in Ordnung ist und außerdem bleibt man unter jungen Leuten und muss sich mal nicht dieses Geschwätz von Rheuma oder Rückenleiden anhören. Seit zwei Jahren besuche ich diese Schauspieler*innen jetzt schon und in all der Zeit habe ich über diese jungen Leute und die Schauspielerei im Allgemeinen sehr viel gelernt. (Ich wollte in meiner Jugend auch mal Schauspielerin werden aber nach dem Krieg musste ich früh in der Firma meines Vaters mitanpacken)

SchauspielerInnen sind arm!

Bei meinem letzten Besuch war leider nur die jüngste Mieterin da. Herr Brümmer sagte mir, ich soll nicht den richtigen Namen schreiben, daher nenne ich sie jetzt mal Marie. Marie ist 32 und arbeitet als Schauspielerin. Und im Gespräch mit ihr wurde mir langsam bewusst: Schauspieler sind alle arm! Damit meine ich jetzt sowohl die weiblichen als auch männlichen Schauspieler. Das hat mich natürlich getroffen. Obwohl die Miete für die Wohnung nicht sehr teuer ist (überhöhte Mieten wollte mein Mann nicht), teilte mir Marie mit, dass sie kaum Geld habe, um mal in den Urlaub zu fahren. Auch ein neues Auto oder eine Waschmaschine sei nicht drin. Ich war etwas geschockt, denn diese Lebenssituation kann ja auf Dauer auch nicht gut sein – wie will man denn später die Kinder ernähren und im Rentenalter über die Runden kommen?

Schauspieler sind arm - aber glücklich

Bild: eric lucatero / unsplash

Also habe ich die junge Marie ausgefragt. Ich bin eine sehr neugierige Frau und wenn mich etwas interessiert, fasse ich nach. Marie erzählte mir dann, was sie im Jahr als Schauspielerin verdient und wie viele Nebenjobs sie nebenbei ausüben muss, um genügend Geld verdienen zu können. Auch ihre Kolleginnen würden im Jahresdurchschnitt ein ähnliches Gehalt bekommen wie sie. Das finde ich – ehrlich gesagt – schockierend! Von 20.000 Euro kann doch niemand leben! Also habe ich mich nach dem Gespräch an meinem Computer gesetzt und ein wenig gegoogelt. Nach zwei Stunden Recherche stand für mich fest: Schauspieler und vor allem Schauspielerinnen sind alle arm. Arm wie die Kirchenmäuse. Den ganzen Abend habe ich anschließend darüber gegrübelt, warum trotzdem so viele junge Menschen diesen Beruf erlernen und später ausüben wollen. Ist denen Geld denn so egal? Nein, das konnte ich mir bei Gott nicht vorstellen. Geld ist doch wichtig!

SchauspielerInnen sind gerne arm!

Am darauffolgenden Wochenende feierte der Mitbewohner seinen 35. Geburtstag. Ich war natürlich eingeladen, denn nur so bleibt man jung und unter Leuten. Außerdem sind die Freunde meiner Mieter sehr nett und haben Manieren. Es wird Wein getrunken und keiner benimmt sich unflätig. Ich suchte gezielt Marie auf und musste mit ihr das Thema Geld und Schauspielerei nochmals thematisieren. Bald stießen ihre Kollegen dazu und es entspann sich eine Diskussion um das Thema Geld und Glück. Und, was soll ich sagen? Die meisten Schauspieler und Schauspielerinnen sind wohl gerne arm! Das war für mich eine ungewohnte Situation. Schauspieler und Schauspielerinnen sind arm – aber glücklich! Das ist für meine Begriffe doch sehr ungewöhnlich.

Zu meiner Zeit war „arm sein“ ein Stigma. Niemand wollte zeigen, dass er wenig Geld hat. Heute scheinen die jungen Leute das nicht mehr zu stören. Viele junge Leute auf der Feier von meinen Mietern erzählten mir, dass Geld für sie nicht alles sei. Und wenn man als Schauspieler arm sei, wäre das nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass man auch unglücklich sei. Als ich später in meine Wohnung ging, musste ich über den Abend lange nachdenken. Mein Mann und ich waren immer sparsam. Wir hatten unser Auskommen und waren glücklich, gerade weil wir uns einen gewissen Wohlstand aufgebaut hatten.

SchauspielerInnen – arm aber glücklich

Schauspieler sind arm, aber glücklich im Leben

Bild: enrico carcasci / unsplash

Herr Brümmer sagt, ich soll in meiner Kolumne nicht so viel schreiben, sonst würden das die Leute nicht lesen. Also komme ich jetzt zum Ende. Ich stelle fest: Schauspieler und Schauspielerinnen sind arm – aber glücklich. Sie verdienen wenig und sind dennoch fast alle zufrieden mit ihrem Leben. Das ist natürlich bewundernswert, aber auch merkwürdig. Denn wie wollen die Schauspieler, wenn sie doch alle arm sind, später im hohen Alter über die Runden kommen? Sie können ja nicht für später Geld sparen? Sie sehen, werte Leserinnen und Leser: Diese Schauspielerei ist eine doch zu tiefst komplizierte Sache.

 

Über Frau Müller

Frau Müller ist unsere neue Kolumnistin und wird ab jetzt regelmäßig über Schauspieler*innen und das Leben mit ihnen schreiben. Frau Müller lebt und arbeitet in Hamburg. Die Meinung von Frau Müller ist ihre ganz persönliche Ansicht über Schauspieler*innen und muss sich nicht mit der Meinung der Theaterakademie Köln übereinstimmen.

Bildnachweis:

Teaserbild: Thought Catalog,

Bild 2: Eric Lucatero,

Bild 3: Enrico Carcasci,

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