Kurzinterview,Theaterakademie Köln

Ragna Kirck im Kurzinterview

Ragna Kirck ist Mutter, Aktivistin, Weltverbesserin und vor allem eins: Mensch. Was Ragna Kirck an ihrem Job besonders gefällt und wie eine Woche bei der Dozentin an der Theaterakademie Köln aussieht, erfährst du im Kurzinterview im TAKBlog.

TAKBlog: Wer bist du? Stell dich mal vor?

Ragna Kirck: In meiner Kurz-Vita sieht das immer so aus:
Ragna Kirck (* 1973) ist Regisseurin, Kulturmanagerin, Dozentin für Regie, Szene, Kinder- und Jugendtheater sowie Rolle an der Theaterakademie Köln, Dramaturgin, Autorin und Coach. Sie studierte Tiermedizin, Anglistik und Germanistik in Hannover, Regie bei Hans Hollmann an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt/Main sowie Kultur- und Medienmanagement am KMM Hamburg.

Zuletzt inszenierte sie am CASAMAX Theater „Don Qui? 2x-=+“ und „RAPATATUTOPIA“ und war mit dieser Produktion für den Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreis 2017 nominiert. Gemeinsam mit Hille Marks leitet sie das CASAMAX Theater.

Ich finde aber, Vitae erzählen nur die falschen Dinge und geben gar keine Antwort auf die Frage, wer man ist. Sie sind auf hübsch gebürstet, sie sprechen nur von den offiziell erfolgreichen Seiten des eigenen Lebens. Sie verschweigen genau das, wodurch sich unsere Persönlichkeit formt und was uns zu dem Menschen macht, der wir sind. Dass ich das so sehe, erzählt vielleicht einiges darüber, wer ich bin.

Ich bin zuvorderst Mensch. Als Mensch ist mir wichtig, hinter die Fassaden zu schauen. Werte zu haben und diese zu vermitteln. Sich an diesen auch selbst zu messen und messen zu lassen. An andere Menschen zu glauben. Empathisch zu sein. Politisch zu sein. Vom guten Gedanken auszugehen, nicht vom schlechten. Nicht Glück zu suchen, sondern Zufriedenheit. Angst zuzulassen. Mutig zu sein. Für etwas einzustehen und auszuhalten, wenn es Gegenwind gibt.

Ich bin Mutter. Ich habe eine inzwischen 11jährige Tochter. Ich finde sie wichtiger als alles Theater der Welt. Da geht nichts zwischen, nichts drüber. Menschen sind wichtiger als Kunst. Menschen sind wichtiger als Kunst. Menschen sind wichtiger als Kunst. Das ist eine ganz entscheidende Lehre.

Ragna Kirck im Kurzinterview mit dem TAKBlog der Theaterakademie Köln

© Simon Howar / NeueBilder

Ich bin Weltverbesserin, viel eher als Künstlerin. Ich mache Theater, weil ich verändern möchte, was ich kaum auszuhalten finde. Ich möchte andere Menschen bewegen. Im Herzen. Im Kopf. Ich rege mich auf, wenn andere Menschen das nicht möchten. Ich bin nicht tolerant.

Ich bin Aktivistin. Es fällt mir schwer, stillzuhalten. Ich stehe enorm auf Handeln und Lösungsorientierung.
Ich bin zu faul. Ich brauche sehr viele Pausen. Finde ich. Wenn ich mich selbst betrachte. Glaubt mir aber keiner.
Ich bin Zweiflerin. Ich arbeite noch immer hart daran, mein inneres „Ja“ größer zu machen als mein inneres „Nein“.

Ich habe kein einziges meiner Studienfächer abgeschlossen. Ich habe immer exakt beim Stand „scheinfrei für die Abschlussprüfung“ die Biege gemacht. Ich hasse Abschlüsse. Und ich hasse Papiere, auf denen steht, dass man etwas kann. Ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Es ist nur Papier. Das ist aber sehr unvernünftig und nicht zu empfehlen. Aus ganz vielen Gründen! Aber ich habe mich selbst nie an dieses Wissen gehalten. Die gute Nachricht ist: Es funktioniert trotzdem irgendwie.

Ich mag den Sommer. Ich brauche den Sommer. Der Winter macht mich fertig. Ich bin ein Licht-Junkie. Dass ich beim Theater gelandet bin, ist so gesehen wirklich idiotisch. Immer diese dunklen, schwarzen Kellerräume. Aber ich kann nicht anders.
Ich habe viele Jahre Stadttheater gemacht. Jetzt bin ich seit Jahren in der Freien Szene. Ich würde gerne behaupten, dass ich das eine nicht mehr cool fand und darum das andere tue. Das stimmt auch in Teilen, ist aber, Achtung, geschönte Vita, nur ein Teil der Wahrheit. Stadttheater ist ein System, und in diesem System habe ich nicht mehr gut funktioniert.

Das hat auch das Stadttheater gemerkt und mich immer weniger angefragt. Im System Freie Szene funktioniere ich besser. Aber tatsächlich genauso nur begrenzt. Ich bin eine Mischform, die so nicht vorgesehen ist, zwischen diesen Systemen. Ich suche immernoch meinen Platz. Hinzu kam aber auch: Regie am Stadttheater funktioniert nicht, wenn man die Priorität „Kind“ setzt, sich vom Kindsvater trennt und das Leben komplexer wird. Irgendwann bin ich älter und meine Tochter auch. Mal gucken, was dann passiert.

TAKBlog: Seit wann bist du an der TAK und was unterrichtest du?

Ragna Kirck: Ich weiß das gar nicht so genau (ich kümmere mich wirklich zu wenig um meine Vita), ich glaube seit 3-4 Jahren? Ich leite, meist zusammen mit meinem Kollegen Tim Mrosek, die Regieklasse. Das ist ganz besonders toll für mich, weil ich dabei viele Dinge „richtig“ machen kann, die ich selber in meiner Regieausbildung vermisst habe und neue Talente fördern und ermutigen kann. Ich leite ebenfalls das Szenenstudium Kinder- und Jugendtheater, eine soweit ich weiß einmalige Sache in Deutschland. Im 4. Semester müssen also alle TAK-Schüler*innen einmal durch meinen Unterricht durch.

Es gibt kein Entkommen 🙂 Wir erarbeiten immer im 4. Semester ein Kinder- und Jugendtheaterprojekt und zeigen das dann bei uns im CASAMAX Theater, auch vor Kindern. Das macht unglaublich viel Spaß, auch wenn es jedes Mal Harakiri ist, weil ich mir immer zu viel vornehme. Aktuell arbeiten wir am Dschungelbuch. Wenn noch Stundenkontingente frei sind, unterrichte ich auch mal „normalen“ Szenenunterricht. Ich bin schon wieder versucht zu erzählen, dass das besonders viel Spaß macht! Aber es ist auch so.

Ragna Kirck im Interview über Ihre Arbeit als Dozentin an der Theaterakademie Köln

in Raum 5 der Theaterakademie Köln bei der Arbeit – mit den (inzwischen) Absolvent*innen Yannick Hehlgans und Soraya Abtahi

Im Szenenunterricht probiere ich sehr gerne Sachen aus, die ich selbst noch nicht so oft gemacht habe. Ich mag gemeinsames Lernen. Und natürlich gebe ich noch Rollenunterricht. Persönlich finde ich das das schwierigste Fach! Man muss in so wenig Zeit so wahnsinnig exakt auf den Punkt kommen und dabei genau die Mitte treffen zwischen Inszenierung, Rolle und Persönlichkeit der/des Schauspieler*in. Wenn es glückt, kommen auch ganz viele Glücksgefühle.

Aber wenn man scheitert, was leider passieren kann, ist das ein schreckliches Gefühl. Neben all dem bin ich ziemlich oft bei den Start-Up-Workshops dabei. Oh, zur Zeit darf ich auch noch die Fachschaft Schauspiel vertreten. Das macht mich sehr stolz, weil das ein schöner Vertrauensbeweis meiner Kolleg*innen ist.

TAKBlog: Wie sieht eine typische Woche an der TAK bei dir aus?

Ragna Kirck: Ich habe keine typische Woche an der TAK, was der Tatsache des Freiberufler- und Mutterdaseins geschuldet ist. Das Großartige an der TAK ist aber, dass genau das geht. Wir haben eine hohe Flexibilität in der Planung. Es gibt also Wochen, da bin ich gefühlt non-stop an der TAK und Wochen, da schneie ich nur mal kurz rein. Sollte mal alles nach Plan laufen, bin ich aktuell aber 2x die Woche für Kinder- und Jugend vor Ort. Dabei teile ich die Tage ein bißchen auf, an einem arbeiten wir stärker szenisch, am anderen stärker theoretisch.

Zur Zeit habe ich nur eine Rollenschülerin, also habe ich ca. alle 2 Wochen noch ein bißchen Rollenunterricht. Meine Regieklasse hat ebenfalls ca. alle 2 Wochen bei mir theoretischen Unterricht und alternierend bin ich auch ungefähr alle 2 Wochen auf den Proben. Dazu kommen dann noch unregelmäßig Fachschaftssitzungen, Besprechungen im Leitungsbüro, Besuche bei unserer besten Simone im Sekretariat, manchmal Besuche in Unterrichten der Kolleg*innen, weil wir uns alle gegenseitig unterstützen, und ganz wichtig: Der Flur-Talk. Die wichtigsten Dinge entstehen in der TAK auf dem Flur.

TAKBlog: Was gefällt dir an deinen Job besonders?

Ragna Kirck: An welchem? 🙂 Als Regisseurin gefällt mir besonders, immer wieder auf ganz viel Neues zu stoßen und mich immer wieder neu mit Themen und ganzen Welten auseinanderzusetzen. Nie ist etwas gleich. Immer ist alles anders.

Als Dramaturgin genieße ich die Heldenrolle 🙂 Ich komme auf die Probe, kriege etwas gezeigt, sage 1-2 kluge Dinge, weil ich ja von außen gucke und nicht im Prozess feststecke, es deshalb einfach kann, ohne dass ich dafür besonders clever sein müsste, und werde gefeiert. Das ist ein großartiger Job!

Als Autorin mag ich den Moment des Durchbruchs, wenn beim Schreiben endlich der Flow einsetzt und die Welt des neuen Stückes sich auf einmal wie von selbst erschafft, die Figuren echt und selbständig werden, ich ihnen beim Handeln zuschauen kann und eigentlich nur noch mitschreiben muss.

Ragna Kirck - Dozentin, Regisseurin, Aktivistin, Mutter und vor allem: Mensch

„Rapatatutopia“ im CASAMAX Theater © Monika Nonnenmacher (mit den Absolvent*innen Orestes Fiedler und Jana Jungbluth)

Als Coach macht mich glücklich, wie sehr man mit einfachen Gedanken anderen Menschen helfen kann.
Als Theaterleiterin ist es ein großes Geschenk, zumindest einen Ort auf der Welt nach den eigenen Werten und Leitgaben erschaffen zu können.

Und als Dozentin liebe ich es aus vollem Herzen, junge Menschen ein Stück weit auf ihrem Weg begleiten zu können, Impulse geben zu dürfen und beim Wachsen zuzuschauen. Wenn du für das, was du mit ihnen tust, dann Vertrauen geschenkt bekommst, ist das einfach das Größte. Und wenn dir ein paar Jahre später jemand sagt „ja aber das habe ich von dir mitgenommen“, dann hast du etwas verändert. Siehe oben.

Wir danken Ragna Kirck für das Interview

Mehr über das Casamax Theater erfährst du auf der Website sowie auf der Facebook-Seite des freien Theaters.

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